Festspiele Ludwigshafen

Schreckliche Familien und ein Königsmörder

› Es grenzt schon an Wettbewerbsverzerrung, was Christopher Rüpings Inszenierung von „Einfach das Ende der Welt“ am Schauspielhaus Zürich an Auszeichnungen in den vergangenen Monaten eingesammelt hat. So wurde die Produktion nicht nur zum Berliner Theatertreffen eingeladen, sondern auch mit dem Nestroy-Theaterpreis für die beste deutschsprachige Aufführung im Jahr 2021 ausgezeichnet. Hauptdarsteller Benjamin Lillie und seine Kollegin Maya Beckmann wurden zudem in der Kritikerumfrage des Fachmagazins „Theater heute“ zum Schauspieler beziehungsweise zur Schauspielerin des Jahres gekürt.

Forschungsobjekt Familie

In Frankreich gehört das Stück über einen todkranken Homosexuellen, der wie ein Archäologe nach seiner Vergangenheit forscht, inzwischen zur Schullektüre. Lillie schlüpft in diese Rolle und filmt mit einer Handkamera die Wohnung seiner Kindheit ab. Dabei stellt er in Close-ups seine Eltern bloß. Während Autor Jean-Luc Lagarce, der 1995 im Alter von 38 Jahren an Aids starb, in diesem Stück Autobiografisches verarbeitet, ist für Regisseur Christopher Rüping „Einfach vom Ende der Welt“ der Start einer Trilogie, mit der er der Frage nachgehen möchte, wie Familien im 21. Jahrhundert ticken.

Intensive zwei Stunden

Die Produktion des Schauspielhauses Zürich ist dabei nur eines von einer ganzen Reihe an hochkarätigen Gastspielen, die bei den Festspielen Ludwigshafen zu sehen sind. „Mir geht es um herausragende Schauspielerleistungen, gelungene Inszenierungen und interessante Themen“, fasst Pfalzbau-Intendant Tilman Gersch seine Auswahlkriterien zusammen. Diese treffen sicher auch auf die „Geschlossene Gesellschaft“ in der Regie von Martin Kušej vom Wiener Burgtheater zu. Jean-Paul Sartre schildert in diesem modernen Klassiker nicht nur, wie quälend Enge sein kann, sondern auch, wie abhängig sich Menschen vom Urteil der anderen machen. Zu erleben sind dabei so prominente Schauspieler*innen wie Tobias Moretti, Dörte Lyssewski, Regina Fritsch oder Christoph Luser. „In intensiven zwei Stunden erleben die Zuschauer*innen die Hölle des Zusammenlebens auf höchstem Schauspielniveau“, berichtet Gersch von seinen Eindrücken.
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Der russische Starregisseur Kirill Serebrennikov, der ab Herbst Artist in Residence am Hamburger Thalia-Theater sein wird, präsentiert mit „Outside“ erneut ein Projekt in Ludwigshafen. Es handelt sich um eine sinnliche, traurige und poetische Aufführung, die dem chinesischen Fotografen Ren Hang gewidmet ist. Wegen der Darstellung von nackten Körpern in seiner Heimat mehrfach verhaftet, beging Ren Hang mit nur 29 Jahren Selbstmord.

Das Stück zur Stunde

Auch Intendant Gersch steuert zum Festival eine Inszenierung bei: „Macbeth“ von William Shakespeare. Für ihn ist das Drama über den Königsmörder das Stück der Stunde. „Es reflektiert den Umgang mit Macht, die der Mensch offensichtlich immer wieder nicht zum Wohle seiner Mitmenschen gebraucht“, erklärt Gersch. Sein Ensemble setzt sich aus Schauspieler*innen zusammen, mit denen der Intendant schon lange zusammenarbeitet darunter Thomas Halle, Stephanie Schönfeld, Jörg Malchow und Stefan Schießleder.

Die Berliner Theaterszene ist mit „Der zerbrochene Krug“ in der Fassung von Anne Lenk und David Heiligers vom Deutschen Theater sowie mit „It’s Britney, Bitch!“, einer Auseinandersetzung mit der Erfolgs- und Lebensgeschichte der Pop-Ikone Britney Spears, vom Berliner Ensemble vertreten. Keine Theaterproduktion, aber durchaus theatralisch ist der Auftritt der slowenischen Industrial-Music-Legende Laibach, die sich seit den 1980er-Jahren auf ihre ganz eigene Weise mit Faschismus, Krieg und Massenpsychose auseinandersetzt — und damit das Theater- und Tanzprogramm der Festspiele auf kongeniale Weise ergänzt. ‹


Festspiele Ludwigshafen
07. Oktober bis 15. Dezember 2022
Theater im Pfalzbau, Ludwigshafen
www.theater-im-pfalzbau.de


„Ein Ort für Gespräche“


Im Salon Populaire haben die Besucher*innen während der Festspiele die Gelegenheit, in einem lockeren Rahmen Autor*innen, Musiker*innen und Schauspieler*innen zu treffen. Intendant Tilmann Gersch erklärt die Idee dahinter.

Herr Gersch, was ist genau unter dem Salon Populaire zu verstehen?
Bei dem Salon geht es um unterhaltsame und spannende Veranstaltungen, die Fragen unserer Zeit aufgreifen und diskutieren. Wir haben dazu besondere Persönlichkeiten eingeladen, die uns in Lesungen, Gesprächen und Konzerten ihren Blick auf die Gegenwart vermitteln.

Was ist die Idee hinter diesem Format?
Wir haben beobachtet, dass nach den langen Phasen von Lockdown und Selbstisolation bei unseren Besucher*innen das Bedürfnis nach Begegnung groß ist. Denn während die Aufführungen durch Livestreams ersetzt werden konnten, bleib der lockere und ungezwungene Austausch völlig auf der Strecke. Mit dem Salon schaffen wir einen Raum für unterhaltsame, ungezwungene Reflektion als Ergänzung des performativen Programms.

Können Sie zwei Beispiele für Veranstaltungen aus dieser Reihe nennen?
Die wunderbare Schauspielerin Caroline Peters, schon oft bei uns zu Gast, wird aus Annie Ernauxs Roman „Die Scham“ lesen und so eine wichtige Autorin der Gegenwart präsentieren, die über die Abgründe des Zusammenlebens von Mann und Frau erzählt. Interessant ist auch die Kombination von Daniel Schreiber, der aus seinem Buch „Allein“ liest, mit der eigenwilligen Klaviermusik des Pianisten und Komponisten Hauschka.
Bildnachweis:
Diana Pfammatter (Ende der Welt); Khulood Basel (The Museum); Arno Declair (Krug); Matthias Horn (Geschlossene Gesellschaft); JR Berliner Ensemble (Britney)

Festspiele Ludwigshafen

Die Festspiele Ludwigshafen sind eine feste Größe im Programm des Theaters im Pfalzbau. Jedes Jahr im Herbst präsentieren sie Schauspiel- und Tanzaufführungen auf höchstem Niveau. Neben einem hochkarätigen Tanzprogramm, das von einem externen Kurator oder einer Kuratorin ausgewählt wird, steht bei den Festspielen auch alljährlich eine renommierte deutschsprachige Bühne im Fokus, die sich mit mehreren Gastspielen in Ludwigshafen präsentiert. So waren in den vergangenen Jahren unter anderem das Wiener Burgtheater, die Münchener Kammerspiele oder das Deutsche Schauspielhaus Hamburg mit ihren Inszenierungen zu Gast.
TerminFR 07. Oktober bis DO 15. Dezember 2022
AdressePfalzbau Bühnen // Berliner Straße 30 // 67059 Ludwigshafen // Kartentelefon: 0621 5042558 // E-Mail: pfalzbau.theaterkasse@ludwigshafen.de
SpielortePfalzbau Bühnen
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