› Herr Köllhofer, was ist das Hauptanliegen Ihres Festivals?
Mit Geist Heidelberg wollen wir jedes Jahr wieder zeigen, dass Forschung nicht nur etwas für wissenschaftliche Hinterzimmer ist, sondern dass sie unglaublich spannende Dinge zutage fördert. Ein aktuelles Beispiel: Dank des James-Webb-Teleskops, über das ESA-Direktor Günther Hasinger berichten wird, können wir jetzt eineinhalb Millionen Kilometer in die Tiefe des Alls schauen — und damit fast zu den Ursprüngen des Universums. Und selbstverständlich treten wir mit unserem Festival für die Aufklärung ein. Wir wollen Fakten zeigen, mit Argumenten überzeugen und damit ein deutliches Zeichen setzen gegen all die Verschwörungstheorien, die leider dieser Tage über so viele Bildschirme und durch so viele Köpfe geistern. Denn schließlich ist unsere Zukunft Wissen.Ein spannendes Format und Highlight des Festivals ist die Empathie-Konferenz, die in diesem Jahr ebenso wie Geist Heidelberg zum zwölften Mal stattfindet. Was waren für Sie die Gründe, diese Konferenz ins Leben zu rufen?
Anlass war die damalige Diskussion, dass es im Gehirn eine Region gibt, die für Empathie zuständig ist. Empathie, so die Schlussfolgerung, ist uns angeboren. Es gibt eben nicht nur das Selfish Gene, das egoistische Gen, wie es der britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins in den 1970er-Jahren ausdrückte. Gruppenidentität und Zusammenhalt waren in der Geschichte schon immer die Stärke des Menschen. Und auch für das DAI ist Solidarität eine Herzensangelegenheit. Insofern war die Konferenz Ausdruck unseres zentralen Anliegens, das wir schon seit mehr als 70 Jahren erfüllen.
In welche Richtung hat sich diese öffentliche Konferenz seither entwickelt?
Am Anfang lag der Fokus auf der Wissenschaft. Heute sind entscheidende Forscher wie etwa der Neurowissenschaftler, Arzt, Psychotherapeut Joachim Bauer auch wieder zu Gast. Doch im Laufe der Zeit wurde die Aufmerksamkeit zunehmend auf gesellschaftliche Fragen gelenkt. So leidet unter dem Glück des Einzelnen das Gesamte, wie man am Zusammenbruch von Vereinen, dem Verlust der Bindungsfähigkeit von Kirchen und vieler anderer Organisationen sehen kann. Jeder ist nur noch mit seinem eigenen Glückspferd unterwegs. Gab es bei den bisherigen Konferenzen greifbare Ergebnisse?
Es gab wundervolle Momente, als sich zum Beispiel Leute spontan zusammengetan und ein Mehrgenerationenhaus in Schwetzingen gegründet haben. Außerdem konnten wir durch die Konferenz unseren DAI-Freundeskreis deutlich erweitern. In diesem Jahr heißt das Thema „Empathie in stürmischen Zeiten“. Auf welche Entwicklungen spielen Sie dabei an?
Dass wir in stürmischen Zeiten leben, ist unstrittig. Wir haben das Thema aber als Kulisse aufgebaut, vor der wir bestimmte Fragen stellen wollen. Eine davon betrifft die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche, die leider auch heute noch in vielen Fällen die Täter schützt. Dazu haben wir Pater Klaus Mertens eingeladen, der sich für volle Transparenz und lückenlose Aufklärung engagiert. Eine weitere Frage kreist um die problematischen Zustände in der Pflege, die wir mit Jana Luntz, Pflegedirektorin am Uniklinikum Dresden und Pflegemanagerin des Jahres 2021, beleuchten werden. Als weiteren Gast haben wir Deniz Yücel eingeladen, der darüber berichten wird, warum er als Präsident des PEN-Zentrums Deutschland zurückgetreten ist und den PEN Berlin mitgegründet hat — eine Entscheidung, bei der das Thema Solidarität eine zentrale Rolle gespielt hat. ›
Wird Empathie im übrigen Festivalprogramm ebenfalls ein Thema sein?
Auf jeden Fall. Wissenschaft macht man letztendlich für die Menschen. In gewissem Sinn ist auch die Aufklärung ein großer Aufruf zur Empathie im Denken. Mit der römischen Philosophin Donatella Di Cesare haben wir eine Professorin eingeladen, die sich in ihrem Buch „Philosophie der Migration“ für eine Politik der Gastfreundschaft ausspricht. Außerdem beschäftigen wir uns in einer Podiumsdiskussion mit scharfen Gegensätzen innerhalb der Wissenschaft. Während es einerseits bei der Forschung zu Klima, Ernährung und Verteilungsgerechtigkeit um das kollektive Überleben geht, gibt es auf der anderen Seite elitäre Forschungsprojekte, die sich mit lebensverlängernder Medizin, ewiger Gesundheit und der Optimierung von Überlebenschancen des einzelnen Individuums beschäftigen. Und wie sieht es mit technologischen und naturwissenschaftlichen Themen aus?
Die haben wir selbstverständlich auch im Programm. Ein Fokus liegt auf der Nano-Technologie. Bradley Nelson, Professor an der Eidgenössischen Hochschule Zürich, wird uns berichten, wie Robotik und künstliche Intelligenz bei der medizinischen Versorgung eingesetzt werden. Und auch die Biologie ist ein großes Thema. In unserer Region haben in den vergangenen Jahren diejenigen Unternehmen ein enormes wirtschaftliches Wachstum verzeichnet, die im Bereich der Digitalisierung tätig sind. Wenn ich an die hervorragenden Forschungseinrichtungen hier vor Ort denke, kann ich mir gut vorstellen, dass sich in naher Zukunft ein nicht minder bedeutsamer unternehmerischer Erfolg im Bereich der Biologie einstellt. ‹International Science Festival — Geist Heidelberg
07. Oktober bis 17. Dezember 2022
DAI Heidelberg, Alte Aula der Uni Heidelberg, Livestream
www.geist-heidelberg.de
Mit Geist Heidelberg wollen wir jedes Jahr wieder zeigen, dass Forschung nicht nur etwas für wissenschaftliche Hinterzimmer ist, sondern dass sie unglaublich spannende Dinge zutage fördert. Ein aktuelles Beispiel: Dank des James-Webb-Teleskops, über das ESA-Direktor Günther Hasinger berichten wird, können wir jetzt eineinhalb Millionen Kilometer in die Tiefe des Alls schauen — und damit fast zu den Ursprüngen des Universums. Und selbstverständlich treten wir mit unserem Festival für die Aufklärung ein. Wir wollen Fakten zeigen, mit Argumenten überzeugen und damit ein deutliches Zeichen setzen gegen all die Verschwörungstheorien, die leider dieser Tage über so viele Bildschirme und durch so viele Köpfe geistern. Denn schließlich ist unsere Zukunft Wissen.Ein spannendes Format und Highlight des Festivals ist die Empathie-Konferenz, die in diesem Jahr ebenso wie Geist Heidelberg zum zwölften Mal stattfindet. Was waren für Sie die Gründe, diese Konferenz ins Leben zu rufen?
Anlass war die damalige Diskussion, dass es im Gehirn eine Region gibt, die für Empathie zuständig ist. Empathie, so die Schlussfolgerung, ist uns angeboren. Es gibt eben nicht nur das Selfish Gene, das egoistische Gen, wie es der britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins in den 1970er-Jahren ausdrückte. Gruppenidentität und Zusammenhalt waren in der Geschichte schon immer die Stärke des Menschen. Und auch für das DAI ist Solidarität eine Herzensangelegenheit. Insofern war die Konferenz Ausdruck unseres zentralen Anliegens, das wir schon seit mehr als 70 Jahren erfüllen.
„Wir wollen ein deutliches Zeichen setzen
gegen all die Verschwörungstheorien“
gegen all die Verschwörungstheorien“
In welche Richtung hat sich diese öffentliche Konferenz seither entwickelt?
Am Anfang lag der Fokus auf der Wissenschaft. Heute sind entscheidende Forscher wie etwa der Neurowissenschaftler, Arzt, Psychotherapeut Joachim Bauer auch wieder zu Gast. Doch im Laufe der Zeit wurde die Aufmerksamkeit zunehmend auf gesellschaftliche Fragen gelenkt. So leidet unter dem Glück des Einzelnen das Gesamte, wie man am Zusammenbruch von Vereinen, dem Verlust der Bindungsfähigkeit von Kirchen und vieler anderer Organisationen sehen kann. Jeder ist nur noch mit seinem eigenen Glückspferd unterwegs. Gab es bei den bisherigen Konferenzen greifbare Ergebnisse?
Es gab wundervolle Momente, als sich zum Beispiel Leute spontan zusammengetan und ein Mehrgenerationenhaus in Schwetzingen gegründet haben. Außerdem konnten wir durch die Konferenz unseren DAI-Freundeskreis deutlich erweitern. In diesem Jahr heißt das Thema „Empathie in stürmischen Zeiten“. Auf welche Entwicklungen spielen Sie dabei an?
Dass wir in stürmischen Zeiten leben, ist unstrittig. Wir haben das Thema aber als Kulisse aufgebaut, vor der wir bestimmte Fragen stellen wollen. Eine davon betrifft die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche, die leider auch heute noch in vielen Fällen die Täter schützt. Dazu haben wir Pater Klaus Mertens eingeladen, der sich für volle Transparenz und lückenlose Aufklärung engagiert. Eine weitere Frage kreist um die problematischen Zustände in der Pflege, die wir mit Jana Luntz, Pflegedirektorin am Uniklinikum Dresden und Pflegemanagerin des Jahres 2021, beleuchten werden. Als weiteren Gast haben wir Deniz Yücel eingeladen, der darüber berichten wird, warum er als Präsident des PEN-Zentrums Deutschland zurückgetreten ist und den PEN Berlin mitgegründet hat — eine Entscheidung, bei der das Thema Solidarität eine zentrale Rolle gespielt hat. ›
„Wissenschaft macht man letztendlich
für die Menschen.“
für die Menschen.“
Wird Empathie im übrigen Festivalprogramm ebenfalls ein Thema sein?
Auf jeden Fall. Wissenschaft macht man letztendlich für die Menschen. In gewissem Sinn ist auch die Aufklärung ein großer Aufruf zur Empathie im Denken. Mit der römischen Philosophin Donatella Di Cesare haben wir eine Professorin eingeladen, die sich in ihrem Buch „Philosophie der Migration“ für eine Politik der Gastfreundschaft ausspricht. Außerdem beschäftigen wir uns in einer Podiumsdiskussion mit scharfen Gegensätzen innerhalb der Wissenschaft. Während es einerseits bei der Forschung zu Klima, Ernährung und Verteilungsgerechtigkeit um das kollektive Überleben geht, gibt es auf der anderen Seite elitäre Forschungsprojekte, die sich mit lebensverlängernder Medizin, ewiger Gesundheit und der Optimierung von Überlebenschancen des einzelnen Individuums beschäftigen. Und wie sieht es mit technologischen und naturwissenschaftlichen Themen aus?
Die haben wir selbstverständlich auch im Programm. Ein Fokus liegt auf der Nano-Technologie. Bradley Nelson, Professor an der Eidgenössischen Hochschule Zürich, wird uns berichten, wie Robotik und künstliche Intelligenz bei der medizinischen Versorgung eingesetzt werden. Und auch die Biologie ist ein großes Thema. In unserer Region haben in den vergangenen Jahren diejenigen Unternehmen ein enormes wirtschaftliches Wachstum verzeichnet, die im Bereich der Digitalisierung tätig sind. Wenn ich an die hervorragenden Forschungseinrichtungen hier vor Ort denke, kann ich mir gut vorstellen, dass sich in naher Zukunft ein nicht minder bedeutsamer unternehmerischer Erfolg im Bereich der Biologie einstellt. ‹International Science Festival — Geist Heidelberg
07. Oktober bis 17. Dezember 2022
DAI Heidelberg, Alte Aula der Uni Heidelberg, Livestream
www.geist-heidelberg.de
Vier Nobelpreisträger im Fokus
Bei Geist Heidelberg sind dieses Jahr gleich vier Nobelpreisträger zu Gast: der Physiker Reinhard Genzel, Entdecker des Schwarzen Lochs „Sagittarius A“, der Physiker William Daniel Phillips, der für das Kühlen und Einfangen von Atomen mit Laserlicht die Auszeichnung erhielt, der Genetiker Sir Richard Roberts sowie Zellforscher Sir Paul Nurse, der sich mit fünf revolutionären Antworten der Frage „Was ist Leben?“ widmet.Bildnachweis:
shutterstock (mikroskopische Motive); Phil Montgomery (Keefe); Mark Thiessen (Wikelski)Geist Heidelberg – International Science Festival
Das International Science Festival — Geist Heidelberg ist die europäische Antwort auf das New Yorker World Science Festival. Es richtet sich an die breite Öffentlichkeit und bringt alljährlich Spitzenkräfte der nationalen und internationalen Forschung nach Heidelberg. Im Verlauf von mehreren Wochen diskutieren renommierte Wissenschaftler, bekannte Autoren und Vertreter anerkannter Institutionen mit einem Publikum aus interessierten Laien und Experten die drängenden Fragen unserer Zeit. Das Festival steht für wissenschaftliche Aufklärung und Bildung, die Vielfalt der Forschung und eine demokratisch engagierte Gesellschaft.
TerminFR 07. Oktober bis SA 17. Dezember 2022
AdresseDAI Heidelberg – Das Haus der Kultur // Sofienstraße 12 // 69115 Heidelberg // Tel.: +49 (0) 6221 60730