› Sascha, in diesem Herbst steht die fünfte Ausgabe des Internationalen Filmfestivals an, die du als Direktor verantwortest. Hast du alles umsetzen können, was du wolltest?
Es fühlt sich eher so an, als wäre ich schon zehn Jahre hier. Das liegt vor allem daran, dass in dieser Zeit so viel passiert ist. Erst die weltweite Pandemie, die unser Leben auf den Kopf gestellt hat, dann die politischen Krisen, die wir in dieser Dimension in unserer Generation so auch bislang nicht gekannt haben …
Dein erstes Festival fiel mitten in die Pandemie. Inwieweit hat das euren Start geprägt?
Es war eine Herausforderung, in dieser Zeit einen Neuanfang — mit einem neuen Team, in neuen Örtlichkeiten und mit einem neuen Programm — zu starten. Wir mussten nicht nur alles neu denken, sondern wegen der Corona-Auflagen immer nochmals überdenken. Gleichzeitig hat uns diese Situation — so paradox es klingen mag — auch geholfen. Wir waren gezwungen, Dinge noch schneller anzugehen. Das überraschende Fazit ist deshalb, dass wir aufgrund der Pandemie so viel umsetzen und experimentieren mussten, dass wir die Ziele, die wir uns gesetzt hatten, schneller erreicht haben, als ich anfangs dachte. Welche Ziele sind das?
Ein Führungs- und ein Teamwechsel bedeutet bei einem Filmfestival auch eine neue programmatische Ausrichtung. Das ist natürlich ein Wagnis: Ist das Publikum bereit, sich auf Neues einzulassen? Inzwischen können wir sagen, dass wir es geschafft haben, ein Programm zu etablieren, das vom Publikum akzeptiert und von vielen sogar geliebt wird. Bei unseren regelmäßigen Publikumsbefragungen bekommen wir immer tolles Feedback. Das bestätigen auch die Zahlen: Die Veranstaltungen sind nach der Corona-Delle wieder sehr gut besucht. Darüber hinaus wollten wir ein diverseres Publikum ansprechen. Auch das ist uns gelungen. Wir haben bei den Zielgruppen, bei denen wir schwächer waren, viel dazugewonnen. Das betrifft vor allem jüngere Leute sowie Menschen, die nicht aus dem klassischen Bildungsbürgertum kommen und die vielleicht durch uns das erste Mal mit einer Kulturveranstaltung dieser Art in Kontakt kommen.
Was ist neu an eurem Programm?
Das Festival positioniert sich von jeher als Festival der Entdeckungen, dies haben wir zwar fortgeführt, aber wir setzen andere Akzente. Wir legen auch bei der Programmauswahl viel Wert auf Diversität: Queeres Kino, experimentelle Produktionen und der weibliche Blick — all das spielt bei uns eine wichtige Rolle. Insgesamt ist es unser Ziel, die Zuschauer*innen zu überraschen, sie mit Filmen zu konfrontieren, die ihnen etwas Neues bieten. Wir haben rund 70 Filme im Programm und die sind so unterschiedlich, dass alles zu finden ist: Ich kann mich als Besucher*-in in einen Wohlfühl-Film setzen, ich kann mich in einer Komödie kaputtlachen oder in einem Horrorfilm zu Tode gruseln. Ich kann mich mit der Gesellschaft Nepals auseinandersetzen, in einen vierstündigen Film ohne Dialoge eintauchen oder in der Retrospektive mit Filmgeschichte beschäftigen. Und das alles kuratiert. Das heißt, die Filme, so divers sie sind, stehen miteinander in Dialog. Das funktioniert und wird vom Publikum goutiert. Und natürlich sorgt auch allein schon die Internationalität unseres Festivals für eine große Bandbreite an Themen und Stilen.Inwiefern?
Wir haben Filme aus mehr als 50 Ländern und von allen Kontinenten im Programm. Und regelmäßig kommen viele dieser Menschen, die die Filme gemacht haben, als Gäste nach Mannheim und mit uns ins Gespräch. Dieser Aspekt des Festivals hat im Kontext der aktuellen politischen Krisen nochmals an Bedeutung gewonnen. Wir zeigen wie im Brennglas, wie es funktionieren kann, wenn Menschen aus aller Welt mit Verständnis, Respekt und Demut aufeinander zugehen. Ihr habt auch euren optischen Auftritt neu gestaltet. Nur ein neuer Anstrich?
Nein, wir wollen nicht nur optisch anders wahrgenommen werden, sondern auch in unserer Rolle, wie wir in der Stadtgesellschaft präsent sind. Diese Offenheit, für die wir international stehen, leben wir auch vor Ort. Wir wollen nicht nur elf Tage lang in der Stadt sichtbar sein, sondern das ganze Jahr über. Deshalb kooperieren wir mit vielen kulturellen Partnern, waren auf der BUGA präsent, sind bei dem gemeinsamen Projekt zur Neuen Sachlichkeit mit dabei und präsentieren regelmäßig in Kooperation mit Partnern spannende Kinoereignisse. Worauf dürfen wir uns in diesem Jahr freuen?
Wir werden über alle Sektionen hinweg wieder mehr als 70 Filme aus aller Welt zeigen. Die Retrospektive steht in diesem Jahr unter dem Motto „Körper im Film“ und spannt einen großen filmhistorischen Bogen von Buster Keaton über Terminator 2 bis hin zu The Raid. Und es gibt auch Neuerungen: So werden wir zum ersten Mal den „Young Actors Award“ vergeben, der die bereits bestehenden Preise für Regie und für Drehbuch sinnvoll ergänzt. Neu aufgestellt haben wir auch das Programm für jüngere Zuschauer*innen. Statt des Kinderfilmfests gibt es ein Junges Filmfest, bei dem auch Filme für Jugendliche und junge Erwachsene laufen. Am 10. November steigt zudem erstmals der Familientag mit Workshops, Mitmachaktionen und Filmvorführungen. Dort wird die KiKa-Moderatorin und Autorin Clarissa Corrêa da Silva dabei sein, die wir als Patin des Jungen Filmfests gewinnen konnten.Und zum Schluss noch die Frage nach der Zukunft: Wo siehst du das Filmfestival in fünf Jahren?
Wir wollen den eingeschlagenen Weg weitergehen und gleichzeitig die Herausforderungen einer sich verändernden Filmwelt annehmen. Im Zeitalter von Streaming-Diensten kommt Filmfestivals eine neue Rolle zu. Sie sind nicht mehr nur die zentralen Orte für exklusive Premieren und für teils kleinere Produktionen. Sie setzen stromlinienförmigen und einseitigen Programmen einen qualitativen Fokus und Diversität entgegen. Zugleich machen sie Filmgeschichte erlebbar. Vor allem aber bleiben sie als Orte des Kinos und des Zusammenkommens wichtig. ‹Internationales Filmfestival Mannheim-Heidelberg
07. bis 17. November 2024
verschiedene Kinos in Mannheim & Heidelberg
www.iffmh.de
Termine und Infos unter www.iffmh.de
Podiumsdiskussion, 16. November 2024
Festival-Lounge im Karlstorbahnhof Heidelberg
Eintritt frei
Es fühlt sich eher so an, als wäre ich schon zehn Jahre hier. Das liegt vor allem daran, dass in dieser Zeit so viel passiert ist. Erst die weltweite Pandemie, die unser Leben auf den Kopf gestellt hat, dann die politischen Krisen, die wir in dieser Dimension in unserer Generation so auch bislang nicht gekannt haben …
Es war eine Herausforderung, in dieser Zeit einen Neuanfang — mit einem neuen Team, in neuen Örtlichkeiten und mit einem neuen Programm — zu starten. Wir mussten nicht nur alles neu denken, sondern wegen der Corona-Auflagen immer nochmals überdenken. Gleichzeitig hat uns diese Situation — so paradox es klingen mag — auch geholfen. Wir waren gezwungen, Dinge noch schneller anzugehen. Das überraschende Fazit ist deshalb, dass wir aufgrund der Pandemie so viel umsetzen und experimentieren mussten, dass wir die Ziele, die wir uns gesetzt hatten, schneller erreicht haben, als ich anfangs dachte. Welche Ziele sind das?
Ein Führungs- und ein Teamwechsel bedeutet bei einem Filmfestival auch eine neue programmatische Ausrichtung. Das ist natürlich ein Wagnis: Ist das Publikum bereit, sich auf Neues einzulassen? Inzwischen können wir sagen, dass wir es geschafft haben, ein Programm zu etablieren, das vom Publikum akzeptiert und von vielen sogar geliebt wird. Bei unseren regelmäßigen Publikumsbefragungen bekommen wir immer tolles Feedback. Das bestätigen auch die Zahlen: Die Veranstaltungen sind nach der Corona-Delle wieder sehr gut besucht. Darüber hinaus wollten wir ein diverseres Publikum ansprechen. Auch das ist uns gelungen. Wir haben bei den Zielgruppen, bei denen wir schwächer waren, viel dazugewonnen. Das betrifft vor allem jüngere Leute sowie Menschen, die nicht aus dem klassischen Bildungsbürgertum kommen und die vielleicht durch uns das erste Mal mit einer Kulturveranstaltung dieser Art in Kontakt kommen.
Das Festival positioniert sich von jeher als Festival der Entdeckungen, dies haben wir zwar fortgeführt, aber wir setzen andere Akzente. Wir legen auch bei der Programmauswahl viel Wert auf Diversität: Queeres Kino, experimentelle Produktionen und der weibliche Blick — all das spielt bei uns eine wichtige Rolle. Insgesamt ist es unser Ziel, die Zuschauer*innen zu überraschen, sie mit Filmen zu konfrontieren, die ihnen etwas Neues bieten. Wir haben rund 70 Filme im Programm und die sind so unterschiedlich, dass alles zu finden ist: Ich kann mich als Besucher*-in in einen Wohlfühl-Film setzen, ich kann mich in einer Komödie kaputtlachen oder in einem Horrorfilm zu Tode gruseln. Ich kann mich mit der Gesellschaft Nepals auseinandersetzen, in einen vierstündigen Film ohne Dialoge eintauchen oder in der Retrospektive mit Filmgeschichte beschäftigen. Und das alles kuratiert. Das heißt, die Filme, so divers sie sind, stehen miteinander in Dialog. Das funktioniert und wird vom Publikum goutiert. Und natürlich sorgt auch allein schon die Internationalität unseres Festivals für eine große Bandbreite an Themen und Stilen.Inwiefern?
Wir haben Filme aus mehr als 50 Ländern und von allen Kontinenten im Programm. Und regelmäßig kommen viele dieser Menschen, die die Filme gemacht haben, als Gäste nach Mannheim und mit uns ins Gespräch. Dieser Aspekt des Festivals hat im Kontext der aktuellen politischen Krisen nochmals an Bedeutung gewonnen. Wir zeigen wie im Brennglas, wie es funktionieren kann, wenn Menschen aus aller Welt mit Verständnis, Respekt und Demut aufeinander zugehen. Ihr habt auch euren optischen Auftritt neu gestaltet. Nur ein neuer Anstrich?
Nein, wir wollen nicht nur optisch anders wahrgenommen werden, sondern auch in unserer Rolle, wie wir in der Stadtgesellschaft präsent sind. Diese Offenheit, für die wir international stehen, leben wir auch vor Ort. Wir wollen nicht nur elf Tage lang in der Stadt sichtbar sein, sondern das ganze Jahr über. Deshalb kooperieren wir mit vielen kulturellen Partnern, waren auf der BUGA präsent, sind bei dem gemeinsamen Projekt zur Neuen Sachlichkeit mit dabei und präsentieren regelmäßig in Kooperation mit Partnern spannende Kinoereignisse. Worauf dürfen wir uns in diesem Jahr freuen?
Wir werden über alle Sektionen hinweg wieder mehr als 70 Filme aus aller Welt zeigen. Die Retrospektive steht in diesem Jahr unter dem Motto „Körper im Film“ und spannt einen großen filmhistorischen Bogen von Buster Keaton über Terminator 2 bis hin zu The Raid. Und es gibt auch Neuerungen: So werden wir zum ersten Mal den „Young Actors Award“ vergeben, der die bereits bestehenden Preise für Regie und für Drehbuch sinnvoll ergänzt. Neu aufgestellt haben wir auch das Programm für jüngere Zuschauer*innen. Statt des Kinderfilmfests gibt es ein Junges Filmfest, bei dem auch Filme für Jugendliche und junge Erwachsene laufen. Am 10. November steigt zudem erstmals der Familientag mit Workshops, Mitmachaktionen und Filmvorführungen. Dort wird die KiKa-Moderatorin und Autorin Clarissa Corrêa da Silva dabei sein, die wir als Patin des Jungen Filmfests gewinnen konnten.Und zum Schluss noch die Frage nach der Zukunft: Wo siehst du das Filmfestival in fünf Jahren?
Wir wollen den eingeschlagenen Weg weitergehen und gleichzeitig die Herausforderungen einer sich verändernden Filmwelt annehmen. Im Zeitalter von Streaming-Diensten kommt Filmfestivals eine neue Rolle zu. Sie sind nicht mehr nur die zentralen Orte für exklusive Premieren und für teils kleinere Produktionen. Sie setzen stromlinienförmigen und einseitigen Programmen einen qualitativen Fokus und Diversität entgegen. Zugleich machen sie Filmgeschichte erlebbar. Vor allem aber bleiben sie als Orte des Kinos und des Zusammenkommens wichtig. ‹Internationales Filmfestival Mannheim-Heidelberg
07. bis 17. November 2024
verschiedene Kinos in Mannheim & Heidelberg
www.iffmh.de
RETROSPEKTIVE: »Körper im Film«
Von Buster Keaton über „Terminator 2“ bis zu „The Raid“ — die diesjährige Retrospektive widmet sich dem Thema „Körper im Film“. Insgesamt zwölf Werke werden zu sehen sein, die deutlich machen, wie sich die Darstellung von Körpern seit den Anfängen des Kinos verändert hat: vom Stummfilm bis heute, von den frühen Slapstick-Filmen Buster Keatons, in denen ein Großteil der Komik aus halsbrecherischen Stunts entsteht, bis hin zu digital erschaffenen Körpern im modernen Science-Fiction-Kino. Es geht ebenso um eigene und fremde Körperwahrnehmungen wie um Fragen der Identität oder Sexualität. Race und Behinderung, politischer Widerstand und Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern sind Themen, die im Kontext von Körper im Film immer wieder verhandelt werden. „In diesem Jahr haben wir für die Retrospektive ein Thema gewählt, das uns kaum näher sein könnte: den menschlichen Körper“, erklärt Kurator Hannes Brühwiler. „Wir freuen uns, eine herrlich vielfältige Auswahl an Filmen zeigen zu können. Sie umfasst Klassiker und so manche großartige Wiederentdeckung.“ Zudem gibt es noch eine Podiumsdiskussion, bei der die Künstlerin, Kuratorin und Autorin des Romans „Hässlichkeit“ Moshtari Hilal und der Mannheimer Schauspieler und Autor Samuel Koch auf der Bühne sind. Retrospektive „Körper im Film“Termine und Infos unter www.iffmh.de
Podiumsdiskussion, 16. November 2024
Festival-Lounge im Karlstorbahnhof Heidelberg
Eintritt frei
Bildnachweis:
Alexander RozmannInternationales Filmfestival Mannheim-Heidelberg
Das Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg genießt als Forum für junge Talente einen internationalen Ruf. Regisseure wie François Truffaut, Wim Wenders, Rainer Werner Fassbinder, Krzysztof Kieslowski, Jim Jarmusch, Lars von Trier oder später Thomas Vinterberg, Frédéric Fonteyne, Guillaume Nicloux, Derek Cianfrance, Hong Sang-soo starteten in Mannheim- Heidelberg ihre Weltkarrieren. Neben rund 60.000 Besuchern kommen jedes Jahr etwa 1.000 internationale Gäste aus der Filmbranche. Dazu gehören Journalisten, Sales Agents, Verleiher und Produzenten.
TerminDO 07. bis SO 17. November 2024
AdresseIFFMH – Filmfestival Mannheim gGmbH // Kleiststraße 3–5 // 68167 Mannheim // Telefon: +49 621 - 489262-11 // E-Mail: info@iffmh.de
Spielortealle Kinos in Mannheim und Heidelberg, Festival-Lounges im Stadthaus Mannheim und im Karlstorbahnhof Heidelberg
Infoswww.iffmh.de