› Der legendäre südafrikanische Pianist Abdullah Ibrahim feierte im letzten Jahr seinen 90. Geburtstag. Seit geraumer Zeit lebt er im Chiemgau, und auf die Frage des Bayerischen Rundfunks, ob diese Gegend für ihn Heimat geworden sei, antwortete er ziemlich weise: „Ich bin viel unterwegs, gebe Konzerte und kann mich zu Hause fühlen, wo immer ich bin. Zuhause ist der Ort, wo man Gelassenheit findet. Das kann überall sein.“ Zwischen den OrtenMusiker*innen sind Weltbürger. Sie leben zwischen den Orten, aber auf der Bühne sind sie daheim. Und auf manchen Bühnen ein bisschen mehr als auf anderen. Das hat mit der Aura eines Ortes zu tun, mit der Gesellschaft, in der man sich dort befindet, und nicht zuletzt mit den Menschen, die ihnen eine Bühne bereiten. Das Enjoy Jazz Festival ist für internationale Künstler*innen inzwischen zu einem Heimathafen geworden, der Gelassenheit ermöglicht und kreative Freiräume schafft. Auch in diesem Jahr werden hier fünf Wochen lang Dutzende von Bands und Solist*innen ein vorübergehendes Zuhause finden. Viele kehren über die Jahre immer wieder, angezogen von einem euphorischen Publikum und einer Atmosphäre der Kennerschaft.Grenzenlose Lust auf NeuesAuch Abdullah Ibrahim ist ein regelmäßiger Gast. Dieses Mal schaut er mit seinem Trio im Ludwigshafener Pfalzbau vorbei, eine kammermusikalische Besetzung, in der die Essenz von Abdullahs mehr als 70-jähriger Karriere aufscheint. Dass es sich um ein wirklich internationales „Festival für Jazz und Anderes“ handelt, wird auch dieses Jahr bewiesen: Der aus dem Libanon stammende Trompeter und Komponist Ibrahim Maalouf (Aufmacherbild) eröffnet Enjoy Jazz im BASF-Feierabendhaus in Ludwigshafen. In seine Version des Jazz sind ganz selbstverständlich arabische Musiküberlieferungen eingewoben, aber weil seine Lust aufs Neue grenzenlos ist, lässt er sich auch auf Funk oder Bossa Nova ein und spielt mit so verschiedenen Großmeistern wie Sting oder Wynton Marsalis. Als „menschliche Brücke“ hat er sich mal bezeichnet, und auf der lässt sich bedenkenlos zwischen unterschiedlichsten Klangräumen hin- und herspazieren.Auch der Tunesier Anouar Brahem ist so eine Brücke. Er ist der weltweit berühmteste Oud-Spieler, und das ist er geworden, weil er die Kurzhalslaute behutsam aus ihren traditionellen Kontexten gelöst und in andere Zusammenhänge gebracht hat — so spielte er mit Jan Garbarek ebenso wie mit Richard Galliano oder Dave Holland. Beim Abschlusskonzert in der Christuskirche Mannheim ist er einmal mehr in der Metropolregion zu hören.
Zwischen diesen beiden Terminen mit Grenzgängern aus Nordafrika und Vorderasien spannt sich bei Enjoy Jazz ein imposantes Programm: Aus den USA kommt nicht nur die Harfenistin Brandee Younger, die das avantgardistische Erbe von Dorothy Ashby und Alice Coltrane weiterträgt. Auch der charismatische Saxophonist James Brandon Lewis reist von dort mit seinem Quartett an. Einer der Pioniere der freien Musik — Trompeter Wadada Leo Smith — ist im Duo mit dem wandlungsfähigen Pianisten Vijay Iyer zu hören. Schlagzeuger, Komponist und Produzent Makaya McCraven ist einer der leuchtenden Sterne des Chicagoer Jazzkosmos rund ums Label International An-them — und ist zu Gast in der Alten Feuerwache Mannheim. Mit der in New York geborenen, in Indien aufgewachsenen Multiinstrumentalistin Ganavya ist eine Sängerin und Komponistin zu erleben, deren Werk sich „wie ein Gebet anfühlt“, so die New York Times.Kruder & Dorfmeister kehren heimNatürlich ist auch Europa stark vertreten: der deutsche Pianist Michael Wollny spielt im Schlosstheater Schwetzingen eines seiner seltenen Solokonzerte; der französische Akkordeon-Virtuose Vincent Peirani tritt mit einem Quintett in Heidelberg auf; die griechische Pianistin Tania Giannouli trifft erstmals auf den norwegischen Trompeter Nils Petter Molvær und die Wiener DJs und Produzenten Kruder & Dorfmeister führen ihre berühmten „K&D Sessions“ von 1999 live im Congress Center Heidelberg auf. Hier schließt sich zwar kein Kreis, aber doch rundet sich etwas: Kruder & Dorfmeister beendeten vor 26 Jahren das damals erstmals veranstaltete Enjoy Jazz Festival. Auch das also eine Art Heimkehr. ‹
Enjoy Jazz Festival
02. Oktober bis 08. November 2025
verschiedene Locations in der Kulturregion Rhein-Neckar
www.enjoyjazz.de
Enjoy Jazz Festival
02. Oktober bis 08. November 2025
verschiedene Locations in der Kulturregion Rhein-Neckar
www.enjoyjazz.de
Bildnachweis:
Ibrahim Maalouf/Foto: @odieuxbobyEnjoy Jazz Festival
Seit seiner Premiere 1999 hat sich Enjoy Jazz zu einem international renommierten Festival und zum größten Jazzfestival Deutschlands entwickelt. Neben Legenden wie Ornette Coleman oder Wayne Shorter präsentiert das „Internationale Festival für Jazz und anderes“ immer auch die Größen der jüngeren Jazzgeneration und spannt den Bogen zu angrenzenden Genres wie Weltmusik, Elektronik, Hip-Hop und Klassik. Komplettiert werden die rund 70 Konzerte durch Workshops, Matineen, Partys und Vorträge.
TerminDO 02. Oktober bis SA 08. November 2025
AdresseEnjoy Jazz GmbH // Bergheimer Straße 153 // 69115 Heidelberg // Tel: 06221 5835850 // E-Mail: info@enjoyjazz.de
SpielorteVerschiedene Orte in und rund um Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen
Infoswww.enjoyjazz.de