Reiss-Engelhorn-Museen

Das Leben in den Vororten

› Als die Bilder der brennenden französischen Vororte in diesem Sommer durch die Medien gingen, fühlte sich dies für viele an wie ein Déjà-vu. Bereits im Herbst 2005 hatten Unruhen in den Arbeitervierteln rund um Paris das Land erschüttert. Damals markierte dies einen sozialpolitischen Wendepunkt, der mit dem Beschluss weitreichender Stadterneuerungsprogramme einherging. Die heruntergekommenen Häuserblocks, die im Zuge des sozialen Wohnungsbaus seit Ende der 1950er entstanden waren, wurden gesprengt. So bekommen die Vorstädte zwar ein modernes Gesicht, aber Probleme wie soziale Segregation oder Verdrängung durch Gentrifizierung bleiben bestehen und verschärfen sich.
  • Consumer nos vies © Landon Jean-Michel
  • Effet miroir © Landon Jean-Michel
  • Fast and furious © Landon Jean-Michel
  • Un été comme un autre © Landon Jean-Michel
Die Sonderausstellung „La vie des blocs“ vereint rund 130 Fotografien von Jean-Michel Landon. Dieser kennt die Pariser Vororte aus erster Hand. Sein Blick auf diese Welt ist so auch im Gegensatz zur formalen Reduziertheit seiner Schwarz-Weiß-Aufnahmen vielschichtig und differenziert. 1978 in Créteil geboren, bewegt sich Landon zunächst als Jugendlicher, später als Sozialarbeiter und heute als Fotograf im Slalom zwischen den verschiedenen Stadtvierteln. „Landons Reportage gibt einen intimen Einblick und erzählt vom Alltag der Menschen im Schatten der Wohntürme: ungeschönt und ungefiltert, aber immer erfüllt von dem Respekt und der Empathie des Eingeweihten“, beschreibt Kuratorin und ZEPHYR-Leiterin Stephanie Herrmann die Arbeiten. „Landon bricht mit den oft negativen Klischees über das Leben in den Banlieues.“ So verschmelzen in den Aufnahmen harte Alltagsrealitäten — geprägt von ethnischer und sozialer Ghettoisierung, Wohnungsnot, Drogenkonsum und Perspektivlosigkeit — mit Momenten voller Unbeschwertheit, Lebensfreude und Solidarität.

Seine Aufmerksamkeit richtet Landon besonders auf die Kinder und jungen Erwachsenen, die er mit sensiblem Blick porträtiert — es sind Momentaufnahmen frei von Inszenierung und Voyeurismus. „Landon ist hier durchaus in der Tradition bedeutender Vertreter der humanistischen Fotografie wie Henri Cartier-Bresson, Willy Ronis oder Robert Doisneau zu verstehen“, erklärt Herrmann. Es sind nicht die lauten Gesten und sensa-tionellen Augenblicke, die Landon festhält. Sein Interesse gilt häufig den leisen Randerscheinungen, dem Alltäglichen. ‹


Jean-Michel Landon: La vie des blocs
bis 04. Februar 2024, Reiss-Engelhorn-Museen — ZEPHYR im Museum Bassermannhaus C4, 12
www.rem-mannheim.de
Bildnachweis:
Jean-Michel Landon: Big bizoo

Reiss-Engelhorn-Museen

Die Reiss-Engelhorn-Museen sind ein international agierender Museumsverbund mit vier Ausstellungshäusern im Herzen Mannheims. Ihr breites Sammlungsspektrum und ihre Sonderausstellungen vermitteln kulturgeschichtliche Vergangenheit und Gegenwart. Außerdem werden drei Forschungseinrichtungen betrieben. Mit all diesen Aktivitäten haben sich die Reiss-Engelhorn-Museen weit über die Region hinaus einen Namen gemacht.
AdresseReiss-Engelhorn-Museen // Museum Weltkulturen D5 // 68159 Mannheim // Telefon: 0621 2933150 // E-Mail: reiss-engelhorn-museen@​mannheim.de
ÖffnungszeitenDienstag bis Sonntag (auch an Feiertagen) 11–18 Uhr
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