Der Mann mit den grau melierten Locken und dem prächtigen Bauch ist gerade dabei, nach Ernst Bloch und Helmut Kohl der berühmteste Ludwigshafener zu werden. Seit er auf seinen „Ugliest City Tours“ durch seine Heimatstadt Ludwigshafen führt, ist er in der deutschen Medienlandschaft allgegenwärtig. Egal ob ZEIT oder FAZ, ARD oder ZDF oder das Deutsche-Bahn-Magazin „mobil“, kaum ein großes Medium, das nicht über Helmut van der Buchholz und seine besondere Sicht auf die „Stadt am Rhein“ berichtet. „Es gibt ein paar schöne Ecken, aber insgesamt ist Ludwigshafen nicht gerade hübsch“, bestätigt van der Buchholz. „Doch gerade das macht die Stadt interessant.“ Van der Buchholz weiß, wovon er redet. Als Architekt beschäftigt er sich schon lange mit den Bau- und Abrisssünden der Stadt, gleichzeitig kennt er die Stadt aber auch als einer, der schon seit gut vier Jahrzehnten als Künstler und Kulturaktivist unterwegs ist und der weit mehr zum Stadtleben beigetragen hat als nur die Ugliest City Tours. Schweinefüße und perverse WeihnachtsmännerKeimzelle und Zentrum allen Schaffens ist das Buero für angewandten Realismus. Umstritten ist, ob van der Buchholz von Anfang an dabei war, gesichert jedoch, dass er ziemlich bald nach der Gründung im Jahr 1984 dazustieß und seitdem die einzige personelle Konstante des Bueros ist. Buero-Aktivist*innen kommen und gehen, Helmut van der Buchholz bleibt. Die Liste der legendären Beiträge des Bueros zum Ludwigshafener Kulturleben ist lang: Die „Perversen Weihnachtsmänner“ gehören ebenso dazu wie eine interventionistische Aktion im Wilhelm-Hack-Museum, bei der Schweinefüße eine zentrale Rolle spielten, die Wahlkampfkampagne der Pfälzer Liste/Liste Pfalz (PLLP) mit Spitzenkandidat Dr. Karl Rettich-Jetz und natürlich die Reihe „Niveau unter Null“, bei der alljährlich Künstler*innen ihre missratensten Werke zur Auktion stiften und bei einem Performanceabend ihre peinlichsten Darbietungen präsentieren können. „Mein Leben ist ein Zombie“Doch van der Buchholz tritt auch als Solokünstler in Erscheinung. Und da lässt er keine Sparte aus. Ob als Musiker in Bands wie Siebel Eldron, Original Napalm Duo, Gabba Gabba Hey, Elektro Günther oder den Existenzialisten, bei denen allesamt Musikalität eher nicht im Vordergrund steht, ob als Bildender Künstler, der Fleckenmuster, Frauen in grünen Pullovern oder Katzen malt, ob als Darsteller in Buero-Produktionen wie „Ein Sommernachtsficknam“ oder in Underground-Filmen wie „Mein Leben ist ein Zombie“, ob als Ballerina, die im Tutu zu Rachmaninow tanzt — van der Buchholz hat weder Berührungs- noch Versagensängste.„Meine Einflüsse sind Punkrock und Dada“, sagt er — und das bekommt das Publikum auch zu spüren: Tatsächlich muss man ob der ungeschliffenen Rohheit der performativen Darbietungen eine gewisse Leidensfähigkeit mitbringen und auch das bildnerische Werk ist nicht maßgeblich durch technische Virtuosität geprägt. Letztere, so das van-der-Buchholz’sche Credo, steht wahrer Schöpferkraft ohnehin im Wege. Qualität durch QuantitätUnd so lässt sich sein Œuvre auch eher über den Begriff der Menge, des beständigen Outputs erschließen. Quantität statt Qualität, lautet die Devise — und diese setzt er durch konsequente Disziplin und Beharrlichkeit um. Denn mögen die künstlerischen Ergebnisse auch roh und wild sein, ihre Produktion folgt einem fast maschinenartigen Rhythmus. Wenn van der Buchholz ein Format gefunden hat, dann hält er daran fest. Dann gibt es eben Tausende mit Fleckenmustern bemalte Objekte und Hunderte Bilder von Frauen mit grünen Pullovern. Und auch Veranstaltungsformate können nur durch höhere Gewalt aufgehalten werden. So gehen seine Atelierabende, die er wöchentlich im Buero-Atelier im ehemaligen Umspannwerk in Mundenheim durchführt, inzwischen auf die 200. Ausgabe zu, Niveau unter Null hat als jährliches Format auch schon mehr als 30 Jahre auf dem Buckel und die Radiosendung „Die Radiotrinkenden“, die van der Buchholz mit Co-Host und Buero-Genosse Hötsch Höhle sowie diversen Dauergästen jeden Monat im bermudafunk produziert, läuft dort, seit der freie Radiosender im Jahr 2000 auf Sendung ging. „Quantität statt Qualität“, sagt Helmut van der Buchholz, „das würde ich so nicht unterschreiben. Eher Qualität durch Quantität.“ Und irgendwie hat er damit Recht.Niveau unter Null
08.–10.12.2022
dasHaus, Ludwigshafen
www.angewandter.de
08.–10.12.2022
dasHaus, Ludwigshafen
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Venezia BuchholzLocal Heroes
In der Serie „Local Heroes“ präsentiert das KULTURMAGAZIN Macherinnen und Macher, die das Kulturleben bereichern und die Kulturregion Rhein-Neckar voranbringen.