› „Am 27. Februar 1815 kündigte der Posten von Notre-Dame-de-la-Garde den Dreimaster Pharao an, der von Smyrna, Triest und Neapel kam. Wie gewöhnlich fuhr sofort ein Küstenlotse aus dem Hafen, um an Bord des Schiffs zu gehen. Und wie ebenfalls sonst auch hatte sich die Aussichtsplattform mit Neugierigen gefüllt, denn die Ankunft eines Schiffes ist immer ein großes Ereignis in Marseille.“ Mit diesen Zeilen beginnt der Abenteuerroman von Alexandre Dumas am südfranzösischen Hafen. Auf 1.500 Seiten durchlebt sein Held, ein junger Seefahrer namens Edmond Dantès, eine ungebremste Berg- und Talfahrt. Dazu gehören eine geplatzte Hochzeit, üble Intrigen, 14 Jahre Haft in einer Inselfestung, eine dramatische Flucht, die Entdeckung eines Schatzes und schließlich ein Rachefeldzug, bei dem er als angeblicher Graf von Monte Christo seine Widersacher ins Verderben stürzt.
Eine packende Geschichte als FortsetzumgsromanHeute hätte Dumas diesen Stoff wohl zu endlosen Netflix-Staffeln mit immer neuen Winkelzügen verarbeitet. Vor 180 Jahren machte der Schriftsteller, dessen Leben fast genauso aufregend wie das seiner Figuren war, seine Ideen in einem Fortsetzungsroman zu Geld. In Häppchen wurde er zwischen 1844 und 1846 in einer Zeitschrift abgedruckt. Eine Win-win-Situation für beide Seiten, denn die Auflage der Zeitschrift schnellte dank der packenden Geschichten sprunghaft nach oben. Doch wie gelang es dem Vielschreiber, ständig neue Episoden zu liefern? „Ich habe nie einen meiner Romane vollständig gelesen. Ich musste mich entscheiden, entweder für das Lesen oder das Schreiben“, gestand er einmal.
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Publikumsliebling: Auch der Mann von La Mancha, der im vergangenen Jahr Premiere feierte, ist bei den diesjährigen Festspielen wieder zu sehen.
„Man merkt den Kapiteln den Fortsetzungsroman an, denn sie hören jedes Mal mit einem Cliffhanger auf“, erzählt Jürgen Popig, Chefdramaturg des Heidelberger Theaters, der die Bühnenfassung für die Inszenierung im Schloss geschrieben hat. Treue Besucher*innen der Festspiele erinnern sich vielleicht: Mit dem Grafen von Monte Christo präsentiert das Sommerfestival nach den drei Musketieren bereits zum zweiten Mal einen Klassiker von Dumas.
Während die Geschicke der drei königlichen Gardemitglieder mit Fechtszenen und echten Pferden spektakulär dargestellt wurden, liegen die Schwerpunkte bei der Bühnenadaption des Grafen von Monte Christo an anderen Stellen. „Wir werden selbstverständlich Action-Szenen zeigen, aber zusätzlich musikalische und choreografische Elemente einbauen“, verrät Popig. Sie kommen zum Einsatz, wenn der rätselhafte Graf die Pariser Gesellschaft zu einem Ball in sein prunkvolles Palais einlädt.
Erfolgreiches KomplottZwischen der Einfahrt im Marseiller Hafen und dem rauschenden Fest liegen viele Jahre. Eigentlich steht Edmond nach der Rückkehr von der Seereise eine Zukunft wie aus dem Bilderbuch bevor. Er will Kapitän werden und die schöne Mercédès heiraten. Doch Neider schmieden erfolgreich ein Komplott gegen ihn. Edmond landet im Kerker auf einer Felseninsel. Der zweite Teil schildert, wie er sich nach seiner Flucht die Identität des Grafen von Monte Christo überstülpt und an seinen Verleumdern, die mittlerweile reiche und angesehene Mitglieder der Hautevolee sind, Rache nimmt.
Katja Wolff, eine im Unterhaltungsgenre und in Freilichtinszenierungen erfahrene Regisseurin, will den Fokus nicht nur auf den Rachefeldzug lenken. „Das Gesellschaftsporträt, das gewissenlose Karrieristen zeigt, steht bei ihr im Vordergrund“, sagt Popig. Trotz der auf den ersten Blick düsteren Handlung wollen Wolff und Popig den im Werk vorhandenen Humor hervorheben. Ein Beispiel ist die Episode, in der die Verschwörer in einer Hafenkaschemme ihren Plan aushecken. „Obwohl das eine schlimme Konsequenz hat, ist die Situation komisch, wie die drei wie Clowns dasitzen“, erklärt Popig.
Takelage und SeekistenUm maritimes Flair in den Schlosshof zu bringen, stellt das Bühnenbild eine Art Schiff mit Takelage und Seekisten dar. Die Kostüme, in die Steffen Gangloff als Edmond, Lisa Förster als seine Verlobte und die vier Gegenspieler Hendrik Richter, André Kuntze, Hans Fleischmann und Simon Mazouri schlüpfen, werden historische Elemente, aber auch gewitzte Brechungen enthalten, wenn etwa der Staatsanwalt einen Auftritt in Netzstrümpfen hat. Man kann gespannt sein auf das große Spiel um Liebe, Verrat und Vergeltung. ‹
Heidelberger Schlossfestspiele 09. Juni bis 28. Juli 2024
Heidelberger Schloss
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Der Mann von La Mancha
Ist Literatur gefährlich? Don Quijote treibt die Liebe zu Ritterromanen bekanntlich in den Wahnsinn und sein Schöpfer Cervantes wird deswegen eingekerkert. Ein ziemlich guter Stoff für ein Musical, das nicht nur am Broadway, sondern auch auf dem Heidelberger Schloss Erfolge feierte. Eine Wiederaufnahme.
20. & 21.06. sowie 06. 07., 09., 10., 11., 18. & 20. Juli 2024, jeweils 20.30 Uhr, Schlosshof Bezahlt wird nicht!
Die Mieten explodieren, die Energiepreise sowieso. Wie soll man da noch über die Runden kommen? Eine Gruppe von Frauen macht sich auf, den nächstgelegenen Supermarkt zu plündern. Der große italienische Theaterautor Dario Fo hat dieses satirische Stück schon 1974 geschrieben — aktuell ist es bis heute.
15., 18. sowie 20., 21. & 22. Juni 2024, 20.30 Uhr, Dicker Turm 1. Schlosskonzert: Katharina Mehrling singt Piaf
Die bekannte Sängerin, Musicaldarstellerin und Schauspielerin Katharina Mehrling hat sich auf Spurensuche nach der Édith Piaf begeben. „Ich ging ihre Straße entlang, sprach mit den Leuten, die sie kannten, und inhalierte das Pariser Lebensgefühl“, erzählt Katharina Mehrling. So entstand diese einfühlsame Hommage an den „Spatz von Paris“, die sie an diesen Abenden präsentiert.
28., 29. & 30. Juni 2024, 20.30 Uhr, Schlosshof Heidelberger Schlossfestspiele
Die weltbekannte und einzigartige Heidelberger Schlossruine bildet auch in dieser Sommersaison die Kulisse für die Schlossfestspiele. Im Schlosshof, im Dicken Turm und im Englischen Bau erwartet die Besucher ein abwechslungsreiches Programm bestehend aus Musical, Schauspiel, Konzert und Jungem Theater.
TerminSO 09. Juni bis SO 28. Juli 2024
AdresseTheater & Orchester der Stadt Heidelberg // Theaterstraße 10 // 69117 Heidelberg // Kartentelefon: 06221 58-20000 // E-Mail: tickets@theater.heidelberg.de
SpielorteSchloss Heidelberg