› Einen leibhaftigen Besuch in einem historischen Monument kann Virtual Reality noch nicht ersetzen. Wenn es darum geht, Besucher*innen historische Stätten näherzubringen, kann sie jedoch eine wichtige Rolle spielen — und neue Möglichkeiten und Perspektiven eröffnen. So können zerstörte Bauten, Räume und Kunstschätze virtuell rekonstruiert und so wieder erlebbar gemacht werden. Und auch die Erkundung von Orten, die aus konservatorischen Gründen der Öffentlichkeit verschlossen bleiben müssen, ist in der virtuellen Welt möglich.

Refugium der Kurfürstin

Die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden Württemberg haben dieses Potenzial frühzeitig erkannt und mit dem Projekt „Virtuelle Rekonstruktion von Kulturliegenschaften“ umgesetzt. Im Barockschloss Mannheim hat diese Technik bereits 2021 die Rekonstruktion zerstörter Stuckornamente im Paradeschlafzimmer von Kurfürst Carl Philipp ermöglicht. Seit diesem Frühjahr können die Besucher*innen des Barockschlosses einen weiteren Bereich virtuell entdecken: Eine VR-Brille führt durch das sonst nicht zugängliche Bibliothekskabinett und ermöglicht eine barrierefreie Zeitreise in das Refugium der Kurfürstin Elisabeth Auguste von der Pfalz.

1755 ließ Carl Theodor das Bibliothekskabinett für seine Frau Elisabeth Auguste errichten. Hier konnte sie sich zurückziehen und Abstand vom höfischen Treiben gewinnen. Bis zu 1.000 Bücher fanden in dem Kabinett Platz. Welche Literatur die Kurfürstin bevorzugte, ist jedoch nicht bekannt. Das Kabinett liegt im Erdgeschoss des Hauptgebäudes und war Teil eines intimen Gartenappartements der Kurfürstin. Entworfen wurde es von Baumeister Nicolas de Pigage. Verborgene Bücherregale, reizvoller Deckenstuck und geschnitzte Holzpaneele prägen das Raumkunstwerk. Die dargestellten Musen und Allegorien verleihen der Bibliothek ein heiteres und gleichzeitig sinnliches Ambiente.

Weitestgehend im Originalzustand

Das Kabinett ist einer der wenigen Schlossräume, der die Zerstörung des Zweiten Weltkriegs überstanden hat. Es befindet sich noch weitestgehend in seinem Originalzustand. Aus konservatorischen Gründen ist der Raum allgemein nicht zugänglich. Seit diesem Frühjahr kann die Bibliothek jedoch virtuell erkundet werden — in Form eines barrierearmen VR-Rundgangs. Mit einer VR-Brille begeben sich die Gäste auf eine authentische und immersive Reise in die Vergangenheit. Sie begehen die Räumlichkeiten, bestaunen die prächtige Dekoration und die harmonische Atmosphäre der Räume, während sie Zitaten aus Briefen der einstigen Kurfürstin lauschen.

Und so funktioniert’s! Den Schloss-Besucher*innen werden vor Ort zwei VR-Brillen zur Verfügung gestellt. Für die Nutzung ist keine Anmeldung erforderlich und es entstehen keine zusätzlichen Kosten. Die Anwendung eignet sich für Menschen mit Hör-, Seh-, Lese- und Mobilitätsbeeinträchtigungen. Für Personen, die keine Brille aufsetzen können, und für Gruppen steht ein Tablet zur Verfügung, auf dem der gleiche Inhalt abgespielt werden kann. ‹

Kurfürstliche Pracht, kaiserliche Eleganz

Das Barockschloss Mannheim zählt mit seinem weiten Ehrenhof und einer Schaufassade von 440 Metern Länge zu den größten Schlössern Europas. Die beeindruckende Anlage sollte die politische Stellung der Kurfürsten verdeutlichen. Sie bauten sich hier ihre barocke Residenz — zusammen mit der Mannheimer Planstadt ein machtvolles Zeichen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts brachte Großherzogin Stéphanie von Baden kaiserlichen Wohnstil aus Paris mit. Beide Epochen können Sie heute im Barockschloss erleben.
Weitere Infos: www.schloss-mannheim.de