› Als Martin Luther im Herbst 1517 seine 95 Thesen an das Portal der Schlosskirche in Wittenberg anschlug, setzte er damit eine Bewegung in Gang, die sich wie ein Flächenbrand über Europa ausbreiten sollte. Die Reformation war dabei mehr als eine religiöse Bewegung, die die Allmacht und alleinige Deutungshoheit der katholischen Kirche in Frage stellte. Bauern und Bergleute rebellierten gegen die Leibeigenschaft und gegen die hohen Abgaben, die sie zu leisten hatten. Nicht selten eskalierte der Konflikt — etwa in den Bauernkriegen, die sich ab 1525 im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation ausbreiteten. Zahlreiche Klöster und Burgen gingen in Flammen auf. Zwar wurden die Aufstände schließlich blutig niederschlagen und die Herrschenden behielten die Oberhand, jedoch veränderte sich die politische Landschaft nachhaltig.Die Burgen wurden größtenteils nicht mehr aufgebaut, die einst reichen und mächtigen Klöster, die im Mittelalter wirtschaftliche und politische Mittelpunkte gewesen waren, verloren ihre beherrschende Stellung. Sie wurden abgelöst von den Residenzen weltlicher Herrscher, von Festungen und Schlössern, die sich als neue Machtzentren etablierten.Aufstieg und Niedergang des Klosters LorschAuch in der Rhein-Neckar-Region lassen sich Spuren dieser Entwicklungen finden. So war das Kloster Lorsch, das heute von den Staatlichen Schlössern und Gärten Hessen verwaltet wird, im Mittelalter ein wichtiges kulturelles und wirtschaftliches Zentrum, dessen Einfluss weit über die Region hinausreichte. Seine Blütezeit erlebte es im 12. Jahrhundert, dokumentiert im Lorscher Kodex. Danach folgte ein schleichender Niedergang, der mit der Reformation rasant an Fahrt aufnahm. Im 15. Jahrhundert war es bereits vom Erzbistum Mainz an die Kurpfalz übergegangen, die das Kloster 1564 schließlich aufhob.Zu dieser Zeit hatte sich längst Schloss Heidelberg als Sitz des Kurfürsten zum Machtzentrum in der Region entwickelt. Ab dem 15. Jahrhundert hatten die Herrscher die ehemalige Burg sukzessive zur Festung und Residenz ausgebaut. Repräsentative Erweiterungen wie der Friedrichs- oder der Ottheinrichsbau legen davon bis heute eindrucksvoll Zeugnis ab. Letzterer steht mit seinem Figurenschmuck — darunter Darstellungen von Herkules und Samson — für militärische und politische Macht.
Doch auch das Schloss Heidelberg war vor unruhigen Zeiten nicht gefeit: Im 17. Jahrhundert wurde die Festung mehrfach zerstört und wiederaufgebaut, bevor sie 1720 von Kurfürst Carl Philipp vollends aufgegeben wurde. Er verlegte seine Residenz nach Mannheim und ließ dort das Barockschloss bauen. Interessanterweise war auch dieser Umzug eine mittelbare Folge der Reformation: Der Kurfürst war mit den Heidelberger Protestanten in Streit geraten, die erbittert seinen Plan bekämpften, die Heiliggeistkirche zur katholischen Hofkirche umzuwidmen. Für Carl Philipp war das der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, zum Abschied wünschte er der Stadt am Neckar, dass „Gras auf ihren Straßen wachsen“ solle.Die Geschichte von Schloss Heidelberg war damit aber noch nicht zu Ende. Nachdem die Ruine durch Charles de Graimberg Ende des 18. Jahrhunderts vor der vollkommenen Zerstörung bewahrt wurde, griffen im 19. Jahrhundert Dichter wie Eichendorff, Hölderlin und Brentano die Schlossruine als Motiv auf. Die Bedeutung des Ortes verschob sich von der Schaltzentrale der Macht und Herrschaft zum Sinnbild der deutschen Romantik schlechthin. Bis heute ist das Schloss deutschlandweit eine der bedeutendsten touristischen Attraktionen. Ausdruck absolutistischer MachtDie neue Residenz des Kurfürsten, das Barockschloss Mannheim, 1720 begonnen und 1760 unter Carl Philipps Nachfolger Carl Theodor vollendet, war der Ausdruck absolutistischer Macht. Anders als Schloss Heidelberg, das über die Jahrhunderte sukzessive erweitert worden war, wurde das Mannheimer Schloss nach einem durchgängigen Entwurf erbaut. Im Unterschied zum Heidelberger Pendant war das Mannheimer Schloss auch kein Wehrbau, der sich über der Stadt erhob. Vielmehr wurde es in exponierter Lage am östlichen Ende in die streng geometrische Anlage der barocken Stadt eingebunden. Allerdings war dem prächtigen Bau, der zu den größten Barockschlössern Europas zählt, nur eine kurze Blütezeit vergönnt: Bereits 1778 siedelte Kurfürst Carl Theodor nach München über, um das Erbe des bayerischen Kurfürsten Max II. anzutreten. Das Schloss ging schließlich in den Besitz des Großherzogtums Baden über und diente von 1819 bis 1860 als Witwensitz von Stephanie von Baden.Sturm auf das SchlossÜber das 19. Jahrhundert hinweg blieb es weitgehend ruhig rund um Schloss Mannheim. Erst nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Schloss Schauplatz von Unruhen. Im Februar 1919 riefen Arbeiter- und Soldatenräte bei einer Demonstration die Räterepublik in Mannheim aus. Etwa 1.000 Demonstranten stürmten das Mannheimer Schloss, verwüsteten die Räume von Behörden, die hier inzwischen ihren Sitz hatten, und befreiten die im Keller untergebrachten Häftlinge, sowohl politische Gefangene als auch Straftäter. Die Räterepublik war nach wenigen Tagen wieder Geschichte, 1926 wurde schließlich ein Schlossmuseum eingerichtet. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Schloss bei Luftangriffen fast vollständig zerstört — und in der Nachkriegszeit wieder aufgebaut. Heute hat sich das Barockschloss Mannheim vom Ort der Macht zum Ort des Wissens gewandelt: Neben dem Museumstrakt mit seinen prächtigen Sälen residiert dort die Universität Mannheim. ‹
Themenjahr 2025: „Macht und Widerstand: Klöster, Schlösser und Burgen als Schauplätze der Geschichte.“
Schloss Heidelberg, Barockschloss Mannheim und viele andere historische Orte und Monumente in Baden-Württemberg
www.schloesser-und-gaerten.de
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Bildnachweis:
Barockschloss Mannheim, Foto: Hubert Berberich, WikiCommonsStaatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg
Die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg öffnen, vermitteln, entwickeln und bewahren 59 der landeseigenen historischen Monumente im deutschen Südwesten. In der Metropolregion Rhein-Neckar ist die Verwaltung der Staatlichen Schlösser & Gärten für das Schloss Heidelberg, das Barockschloss Mannheim sowie Schloss und Schlossgarten Schwetzingen zuständig. Das Themenjahr 2018 steht unter dem Motto „Von Tisch und Tafel“ und lockt die Besucher mit vielen attraktiven Angeboten in die historischen Anlagen.
AdresseStaatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg – Zentrale // Schlossraum 22 a // 76646 Bruchsal // Telefon: 07251 742701 /E-Mail: info@ssg.bwl.de