Kunsthalle Mannheim

Wiederentdeckung eines Weltbürgers

› Marlene Dietrich, Leni Riefenstahl, Leo Trotzki — sie alle hatte er vor seiner Linse. Mario von Bucovich (1884–1947) war einer der bedeutendsten Porträtfotografen der 1920er-Jahre. Seine Fotografien wurden in renommierten Ausstellungen und Bänden der Zeit präsentiert, darunter 1929 in der Schau „Photographie der Gegenwart“ im Museum Folkwang in Essen, die innovative Tendenzen der zeitgenössischen Fotografie reflektierte. Heute ist er jedoch weitgehend vergessen. „Wir wollen mit der ersten Retrospektive seines Werks seinen Platz in der Geschichte der Fotografie wieder sichtbar machen“, erklärt Manuela Husemann, Kuratorin der Ausstellung. Dafür werden rund 200 Werke sowie alle fünf von Bucovich publizierten Fotobücher in Mannheim zu sehen sein, ergänzt durch Zeitschriftenbeiträge und persönliche Dokumente.

Allein Bucovichs schillerndes Leben gleicht einem Kunstwerk: Geboren wurde er 1884 in Pula, damals Österreich-Ungarn, heute Kroatien. Seine Familie gehörte dem europäischen Hochadel an und strebte eine militärische Laufbahn für ihn an. Doch er entzog sich diesen Plänen und studierte Mathematik, Mechanik und Elektrotechnik in der Schweiz, Frankreich und Deutschland, anschließend ging er nach New York, später als Vertreter nach Sankt Petersburg. In den Wirren des Ersten Weltkriegs geriet er 1914 in Gefangenschaft und wurde nach Sibirien deportiert, von wo er jedoch fliehen konnte.
  • Mario von Bucovich, Marlene Dietrich, 1929, Nachlass Mario von Bucovich, Sammlung Köhn
  • Mario von Bucovich, Porträt Toni Belling, vor 1928, Fotografie
Nach dem Krieg zog es ihn durch Europa, bis er sich 1922 in Berlin niederließ. Erst mit 41 Jahren entschied er sich dort dafür, die Fotografie zu seinem Beruf zu machen, und übernahm 1925 das Atelier des bekannten Fotografen Karl Schenker. Rasch etablierte sich Bucovich in der Berliner Szene und machte sich als Stadtfotograf und Porträtist einen Namen, der Künstler*innen und Intellektuelle seiner Zeit ablichtete. Als gefragter Glamour-Fotograf nahm Bucovich zum Beispiel 1929 Rollenporträts von Marlene Dietrich auf, die gerade mit den Dreharbeiten zum „Blauen Engel“ beschäftigt war.

Von den USA nach Mexiko
Neben der Porträtkunst galt seine Leidenschaft den Städten. Er veröffentlichte die Fotobände Berlin (1928) und Paris (1929). 1931 verließ er die deutsche Hauptstadt nach Ablehnung eines Einbürgerungsantrags. Während der Nazi-Diktatur emigrierte er über Paris, die Balearen und London in die USA. In New York setzte er seine Arbeit fort und veröffentlichte 1937 mit „Manhattan Magic“ eine fotografische Hommage an den Big Apple. Seine letzte Station war Mexiko-Stadt, wo er 1947 bei einem Verkehrsunfall starb.

Die Ausstellung folgt Bucovich über Ländergrenzen hinweg und macht seine Stationen, Themen und Arbeitsweisen sichtbar. Dazu zählen seine städtischen Streifzüge ebenso wie seine Porträts, seine Auftragsarbeiten für den expandierenden Zeitschriftenmarkt, die Industrieaufnahmen für die BASF und die Werbefotografie für den beginnenden spanischen und mexikanischen Tourismus. „Seine Aufnahmen erschöpfen sich nie in reiner Repräsentation, ganz gleich ob sie Menschen, Metropolen oder Maschinen zeigen“, erklärt Husemann. In der Kunsthalle Mannheim können die Besucher*innen ab Ende Juni den Mann mit Entdeckergeist selbst entdecken. ‹

Berlin, Paris und anderswo —
Mario von Bucovich Fotografien 1925–1947

27. Juni bis 05. Oktober 2025
Kunsthalle Mannheim
kuma.art
Bildnachweis:
©Mario von Bucovich, French Casino, New York, 1937, Fotografie

Kunsthalle Mannheim

Die Kunsthalle Mannheim zählt mit ihren Spitzenwerken von Edouard Manet bis Francis Bacon und ihrem Skulpturenschwerpunkt zu den renommiertesten Sammlungen von deutscher und internationaler Kunst der Moderne und der Gegenwart. Hochkarätige Sonderschauen internationaler zeitgenössischer Kunst vervollständigen das Ausstellungsprogramm. Gezeigt werden sie im Kerngebäude, dem imposanten, frisch sanierten Jugendstilbau von Hermann Billing aus dem Jahre 1907. Bis 2017 entsteht außerdem ein zukunftsweisender Neubau, der die Ausstellungsfläche um rund 1.300 Quadratmetern erweitert.
TerminFR 27. Juni bis SO 05. Oktober 2025
AdresseKunsthalle Mannheim // Friedrichplatz 4 // 68165 Mannheim // Tel. 0621 293 6413 // kunsthalle@mannheim.de
ÖffnungszeitenDienstag bis Sonntag 10–18 Uhr, Mittwoch 10–20 Uhr, 1. Mittwoch im Monat 18-22 Uhr (freier Eintritt)
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