› Herr Holtzhauer, bei den Schillertagen steht ein zentraler Gedanke aus Schillers Werk im Fokus. Wie kam es dazu?
Christian Holtzhauer: Zum einen versuchen wir zu zeigen, wie vielfältig man sich heute im Theater mit Schiller auseinandersetzen kann. Schiller war ja nicht nur ein Dramatiker, sondern hat auch philosophische Texte, Prosa und Gedichte verfasst und war ein scharfer Beobachter seiner Zeit. Ich finde es interessant zu schauen, welche Gedanken und Themen in seinem Œuvre stecken, die bis heute gültig sind. Ein aus Schillers Werk abgeleitetes Motto erlaubt uns, über die Präsentation von Schiller-Stücken hinaus Künstlerinnen und Künstler ganz unterschiedlicher künstlerischer Herkunft einzuladen, sich ins Verhältnis zu diesem Autor und seinen Ideen zu setzen.Frau Gerschwitz, welches Potenzial steckt im Motto?
Lea Gerschwitz: Bei der Recherche und der Programmplanung haben wir gemerkt, wie häufig uns das Thema mehr oder weniger direkt begegnet. In Zeiten von Spaltung, Renationalisierung und Demokratieabbau treibt viele Menschen um, dass wir Schwierigkeiten haben, wieder zueinander zu finden, aber auch Ungleichheit auszuhalten. Das Motto bietet damit einen Anknüpfungspunkt für viele hochaktuelle Diskurse. Können Sie mit einem Motto auch ein breiteres Publikum ansprechen?
Holtzhauer: Auch das. Einerseits wollen wir einen Eindruck davon vermitteln, was man mit Schiller alles machen kann und was in der Kunstwelt gerade angesagt ist. Zum anderen wollen wir dem Publikum, das in seinen Bedürfnissen immer heterogener wird, ein vielfältiges Angebot unterbreiten. Und wir wollen diejenigen, die sich bisher vielleicht nicht so für Schiller interessieren, verführen, mal genauer hinzugucken, was es mit dem Autor auf sich hat.
Der Satz aus „Kabale und Liebe“ bezieht sich auf das damalige Ständewesen. Wie lassen sich daraus heute theatrale Funken schlagen?
Holtzhauer: „Still I Choose to Love“ von Lakshman KP nutzt „Kabale und Liebe“, um zu zeigen, wie politisch Liebesbeziehungen sein können, gerade vor dem Hintergrund des indischen Kasten-Systems. „Geld ist Klasse“ von Regisseur Volker Lösch und der Millionenerbin Marlene Engelhorn thematisiert die Ungerechtigkeiten, die durch die ungleiche Verteilung von Vermögen entstehen. Nicht nur ein Funken, sondern ein theatrales Feuerwerk ist „Kabale und Liebe — allerdings mit anderem Text und auch anderer Melodie“. Die Inszenierung des Deutschen Schauspielhauses Hamburg erzählt einerseits das Stück, spielt aber auch mit dessen Rezeptionsgeschichte. Die Auflehnung der Jungen gegen die Alten wird auf sehr humorvolle Art gezeigt.Das Mannheimer Stadtensemble führt bei den Schillertagen die Räuber*innen-Version der NTM-Hausautor*in Leo Lorena Wyss im Käfertaler Wald auf. Spielt der Wald selbst dabei eine Rolle?
Gerschwitz: Der Wald ist mehr als nur Kulisse. Es wird eine Auseinandersetzung mit dem Wald als einem sehr deutschen, romantisch besetzten Ort geben. Und es geht um den Wald als einen Raum, in dem weibliches Wissen verborgen ist. Die „Mannheimer Räuber*innen“ verstehen sich als eine Fortschreibung von Schillers Stück, in deren Mittelpunkt das Thema Erbe steht — dazu gehören auch das Erbe der Stadt und des Käfertaler Walds.
Das Festival-Zentrum ist zum zweiten Mal im Alten Franklin Kino untergebracht. Wie nutzen Sie diesen Ort?
Holtzhauer: Das Tolle am Franklin Field ist: Hier haben wir Platz, hier hält man sich gern auf, hier kann man feiern. Wir laden die Mannheimer*innen ein, mit uns Zeit auf dem Gelände zu verbringen. Das ist vor zwei Jahren sehr gut aufgegangen — mit einem spektakulären Gerüstbau als Bühne und Aufenthaltsort und kurzen Wegen zum Alten Kino und zum Käfertaler Wald. Hier ist es luftig und im Hochsommer angenehmer als in der Innenstadt.
Geplant ist auch die Publikumsakademie „Vorgarten“. Wird man Sie hier gärtnernd erleben?
Gerschwitz: Vielleicht auch das. Im übertragenen Sinn sehen wir den „Vorgarten“ als einen Ort, an dem wir uns um das Publikum kümmern, sei es kulinarisch mit ein paar Snacks, sei es bei Diskussionen und im Rahmen von Workshops mit den Künstlerinnen und Künstlern des Festivals. Wer in den Vorgarten kommt, wird umsorgt, wie eine Pflanze, die neu eingetopft wird. ‹
23. Internationale Schillertage
19. bis 29. Juni 2025
Altes Kino Franklin, Studio Werkhaus, Opal, EinTanzHaus, Theaterhaus G7, zeitraumexit und viele mehr
www.schillertage.de
Christian Holtzhauer: Zum einen versuchen wir zu zeigen, wie vielfältig man sich heute im Theater mit Schiller auseinandersetzen kann. Schiller war ja nicht nur ein Dramatiker, sondern hat auch philosophische Texte, Prosa und Gedichte verfasst und war ein scharfer Beobachter seiner Zeit. Ich finde es interessant zu schauen, welche Gedanken und Themen in seinem Œuvre stecken, die bis heute gültig sind. Ein aus Schillers Werk abgeleitetes Motto erlaubt uns, über die Präsentation von Schiller-Stücken hinaus Künstlerinnen und Künstler ganz unterschiedlicher künstlerischer Herkunft einzuladen, sich ins Verhältnis zu diesem Autor und seinen Ideen zu setzen.Frau Gerschwitz, welches Potenzial steckt im Motto?
Lea Gerschwitz: Bei der Recherche und der Programmplanung haben wir gemerkt, wie häufig uns das Thema mehr oder weniger direkt begegnet. In Zeiten von Spaltung, Renationalisierung und Demokratieabbau treibt viele Menschen um, dass wir Schwierigkeiten haben, wieder zueinander zu finden, aber auch Ungleichheit auszuhalten. Das Motto bietet damit einen Anknüpfungspunkt für viele hochaktuelle Diskurse. Können Sie mit einem Motto auch ein breiteres Publikum ansprechen?
Holtzhauer: Auch das. Einerseits wollen wir einen Eindruck davon vermitteln, was man mit Schiller alles machen kann und was in der Kunstwelt gerade angesagt ist. Zum anderen wollen wir dem Publikum, das in seinen Bedürfnissen immer heterogener wird, ein vielfältiges Angebot unterbreiten. Und wir wollen diejenigen, die sich bisher vielleicht nicht so für Schiller interessieren, verführen, mal genauer hinzugucken, was es mit dem Autor auf sich hat.
Holtzhauer: „Still I Choose to Love“ von Lakshman KP nutzt „Kabale und Liebe“, um zu zeigen, wie politisch Liebesbeziehungen sein können, gerade vor dem Hintergrund des indischen Kasten-Systems. „Geld ist Klasse“ von Regisseur Volker Lösch und der Millionenerbin Marlene Engelhorn thematisiert die Ungerechtigkeiten, die durch die ungleiche Verteilung von Vermögen entstehen. Nicht nur ein Funken, sondern ein theatrales Feuerwerk ist „Kabale und Liebe — allerdings mit anderem Text und auch anderer Melodie“. Die Inszenierung des Deutschen Schauspielhauses Hamburg erzählt einerseits das Stück, spielt aber auch mit dessen Rezeptionsgeschichte. Die Auflehnung der Jungen gegen die Alten wird auf sehr humorvolle Art gezeigt.Das Mannheimer Stadtensemble führt bei den Schillertagen die Räuber*innen-Version der NTM-Hausautor*in Leo Lorena Wyss im Käfertaler Wald auf. Spielt der Wald selbst dabei eine Rolle?
Gerschwitz: Der Wald ist mehr als nur Kulisse. Es wird eine Auseinandersetzung mit dem Wald als einem sehr deutschen, romantisch besetzten Ort geben. Und es geht um den Wald als einen Raum, in dem weibliches Wissen verborgen ist. Die „Mannheimer Räuber*innen“ verstehen sich als eine Fortschreibung von Schillers Stück, in deren Mittelpunkt das Thema Erbe steht — dazu gehören auch das Erbe der Stadt und des Käfertaler Walds.
Holtzhauer: Das Tolle am Franklin Field ist: Hier haben wir Platz, hier hält man sich gern auf, hier kann man feiern. Wir laden die Mannheimer*innen ein, mit uns Zeit auf dem Gelände zu verbringen. Das ist vor zwei Jahren sehr gut aufgegangen — mit einem spektakulären Gerüstbau als Bühne und Aufenthaltsort und kurzen Wegen zum Alten Kino und zum Käfertaler Wald. Hier ist es luftig und im Hochsommer angenehmer als in der Innenstadt.
Geplant ist auch die Publikumsakademie „Vorgarten“. Wird man Sie hier gärtnernd erleben?
Gerschwitz: Vielleicht auch das. Im übertragenen Sinn sehen wir den „Vorgarten“ als einen Ort, an dem wir uns um das Publikum kümmern, sei es kulinarisch mit ein paar Snacks, sei es bei Diskussionen und im Rahmen von Workshops mit den Künstlerinnen und Künstlern des Festivals. Wer in den Vorgarten kommt, wird umsorgt, wie eine Pflanze, die neu eingetopft wird. ‹
23. Internationale Schillertage
19. bis 29. Juni 2025
Altes Kino Franklin, Studio Werkhaus, Opal, EinTanzHaus, Theaterhaus G7, zeitraumexit und viele mehr
www.schillertage.de
Bildnachweis:
Mathhias Horn (Kabale); Birgit Hupfeld (Queens)Internationale Schillertage
Die Internationalen Schillertage sind ein alle zwei Jahre am Nationaltheater Mannheim stattfindendes Theaterfestival. Im Zentrum der Veranstaltung stehen Produktionen, die sich mit dem Werk Friedrich Schillers auseinandersetzen. Der Bezug des Nationaltheaters zu Schiller geht auf eine gemeinsame Zusammenarbeit zurück: Schiller war ab 1783 Mannheims erster Theaterdichter. Bereits im Vorjahr wurde sein Drama Die Räuber am Nationaltheater uraufgeführt. Die ersten Schillertage fanden 1978 statt. Künstlerischer Leiter der Schillertage war von 2006 bis 2017 Burkhard C. Kosminski, Intendant Schauspiel am Nationaltheater Mannheim. Die Schillertage stehen seit 2019 unter Leitung seines Nachfolgers Christian Holtzhauer.
TerminDO 19. bis SO 29. Juni 2025
AdresseNationaltheater Mannheim // Goetheplatz // 68161 Mannheim // Telefon: 0621 1680200 // Karten: 0621 1680150 // Fax: 0621 1680500 // E-Mail: schillertage@mannheim.de
Infoswww.schillertage.de