Winter in Schwetzingen

„Wir graben nach Schätzen der Barockmusik“

› Herr Böckstiegel, was schätzen Sie an diesem Barockfest?
In Schwetzingen hat sich über die letzten Jahre — dank der herausragenden Arbeit unserer Vorgänger — ein Publikum etabliert, das voller Neugierde auf unbekanntes Repertoire ist und für barocke Musik fiebert. Eine Ausgangssituation, die jeden Programmplaner glücklich macht, wenn eben nicht nur bekannte Werke oder Komponisten gut laufen. Hier sind wir gefragt als Musikwissenschaftler*innen auf der Suche nach in Archiven vergrabenen Juwelen der barocken Tonkunst. Zudem ist auch ein Besuch des Schwetzinger Weihnachtsmarkts eine gute Abwechslung in den kurzen Arbeitspausen.

Frau Schumann, im letzten Jahr haben Sie den Schwerpunkt weg vom italienischen Repertoire zur vergessenen deutschen Barockmusik verlagert. War dieser Neuanfang erfolgreich?
Ja, sehr. Wir haben 2019 mit Georg Caspar Schürmanns Oper „Die getreue Alceste“ einen großen Erfolg sowohl beim Publikum als auch bei Fachbesucher*innen und der Presse verzeichnet. Dies war ein schöner Moment, der uns in der Absicht bestärkt hat, auch für die nächsten Jahre nach Schätzen der deutschen Barockmusik zu graben und zu Unrecht vergessene Werke wieder in Erinnerung zu bringen.
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„Wir laden auf barocke Musik spezialisierte Ensembles ein, für die der Auftritt in diesem wunderbaren Ambiente immer wieder ein Erlebnis ist.“

Was macht die Qualität von Schürmanns Oper aus, die immerhin 300 Jahre in den Archiven schlummerte?
Böckstiegel: Unsere Besucher*innen schwärmten von der emotionalen Kraft, die das Werk auf sie hatte. Als sehr zugänglich empfand das Gros des Publikums die ihnen unbekannte Musik, die unmittelbar berührt. Nicht zuletzt durch die musikalische Leitung der berühmten Lautenistin Christina Pluhar gelang es uns, mit einem bestens aufgestellten Sängercast unvergessliche Opernmomente für unser Publikum zu schaffen.

Blicken wir auf die kommende Ausgabe des Festivals. Können Sie bereits ein paar Pläne verraten?
Schumann: Im Zentrum des Festivals steht wie immer eine szenische Produktion, in diesem Jahr das Barock-Musiktheater „Was frag ich nach der Welt!“. Unsere Konzerte nehmen traditionell thematisch oder personell Bezug zur jeweiligen Musiktheaterproduktion. Ganz wunderbar ist es, dass wir das Festival mit Gastkünstler*innen und unseren Ensembles gemeinsam gestalten. So ist etwa das Weihnachtskonzert des Heidelberger Barock Orchesters, nun schon im zehnten Jahr, eine feste und stark nachgefragte Größe im Programm. Ebenso gibt es wieder eines der Bachchor-Konzerte, eine Kooperation des Philharmonischen Orchesters Heidelberg mit dem Bachchor Heidelberg, in der Heidelberger Peterskirche.

Böckstiegel: Zudem laden wir auf barocke Musik spezialisierte Ensembles ein, für die der Auftritt in diesem wunderbaren Ambiente immer wieder ein Erlebnis ist. Die Lautten Compagney Berlin gehört zu den Stammgästen des Festivals und wird auch im kommenden Winter wieder zu erleben sein. Wir freuen uns außerdem auf den international gefeierten Countertenor Philipp Mathmann, begleitet vom Ensemble I Porporini, mit dem spannenden Programm „Castrato wars“ und der Wiederentdeckung des Komponisten David Pohle, dessen Liebesgesänge für zwei Countertenöre komponiert wurden und vom Berliner Ensemble Barokkultuhrwerk quasi zur neuzeitlichen Uraufführung kommen werden. Das Programm trägt den schönen Namen „Fliegt, ihr, meine Seufzer“.

Gibt es wieder ein barockes Familienkonzert, das bei der letzten Ausgabe bei Jung und Alt Begeisterung auslöste?
Schumann: Ja, in diesem Jahr kommt das Ensemble Marsyas Baroque zu uns. Es besteht aus vier jungen Musikerinnen und stellt mit Georg Philipp Telemanns Serenata „Don Quichotte auf der Hochzeit des Comacho“ solche Fragen wie „Wie klingt ein Kampf mit einer Windmühle?“. Nicht nur auf die Antwort darauf, sondern auf das gesamte Fest dürfen wir und unser Publikum gespannt sein. ‹


WINTER IN SCHWETZINGEN — Das Barockfest
27. November 2020 bis 29. Januar 2021
Schwetzinger Schloss
www.theaterheidelberg.de


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Juwelen aus dem Bach’schen Familienschatz

Die Wiederentdeckung des Altbachischen Archivs liest sich wie ein Agententhriller. Mit der Sammlung aus Kantaten, Motetten und Chorliedern hielt Johann Sebastian Bach den musikalischen Nachlass seiner Vorväter lebendig, verwahrte ihn und gab ihn an seine Söhne weiter. Über Jahrhunderte blieb die Notensammlung im Familienkreis und ging dann in den Besitz der Berliner Singakademie über. In den Wirren des Zweiten Weltkrieges verschwand sie jedoch. Erst zur letzten Jahrtausendwende gelang es internationalen Bachforschern, die verschollenen Werke im ukrainischen Staatsarchiv Kiew ausfindig zu machen und sie wieder nach Berlin zurückzuführen.
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Mit dem Barock-Musiktheaterabend „Was frag ich nach der Welt!“ will der Winter in Schwetzingen diesen musikalischen Schatz der Öffentlichkeit wieder zugänglich machen. Dazu gehört Johann Christoph Bachs (1645–1693) Hochzeitskantate „Meine Freundin, du bist schön“. Das Werk des Onkels von Johann Sebastian Bach basiert auf Versen aus dem Hohelied Salomos und gilt als eines der schönsten dieser Epoche. In Schwetzingen bildet es das Herzstück dieses Barock-Musiktheaters in bewegten Bildern und Raumklängen, das die unglaubliche poetische Vielfalt der deutschen Vokalmusik des 17. Jahrhunderts zeigt — von Freude, Ironie, Trost, Liebe bis hin zu erotischen Anspielungen. Der auf barocke Aufführungspraxis spezialisierte Dirigent Clemens Flick (Foto) und die Regisseurin Claudia Isabel Martin werden gemeinsam mit vier Sänger*innen sowie Musiker*innen des Philharmonischen Orchesters Heidelberg die „Frage nach der Welt“ stellen.

Was frag ich nach der Welt! — Ein Barock-Musiktheater
Premiere: 27. November 2020
Rokokotheater, Schloss Schwetzingen
Musikalische Leitung: Clemens Flick, Regie: Claudia Isabel Martin, Bühne und Kostüme: Veronika Kaleja, Dramaturgie: Ulrike Schumann
Bildnachweis:
Susanne Reichardt; Steinhagen (Flick)

Theater und Orchester Heidelberg

Das Theater und Orchester Heidelberg ist ein Fünf-Sparten-Haus mit Musiktheater, Konzert, Schauspiel und Tanz sowie einem eigenen Ensemble für Kinder- und Jugendtheater. Seit 2005 gehört auch das Philharmonische Orchester der Stadt Heidelberg zum Theater und bildet eine eigene Sparte mit zahlreichen Konzerten sowie der Begleitung von Operninszenierungen. Intendant ist seit der Spielzeit 2011/12 Holger Schultze. Das Theater und Orchester Heidelberg ist auch Veranstalter von zahlreichen Festivals wie den Heidelberger Schlossfestspielen, dem Heidelberger Stückemarkt oder dem Barockfest „Winter in Schwetzingen“.
AdresseTheaterstraße 10 // 69117 Heidelberg // Telefon: +49 6221 5835 000 // E-Mail: theater@heidelberg.de // Karten: Telefon: 06221 5820 000 (Mo−Sa 11.00−18.00 Uhr) // E-Mailtickets@theater.heidelberg.de
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