Kurpfälzisches Museum

Bilder des Fremden

› Wer sie trägt, hat in der Regel ein größeres Vermögen angehäuft. Im 17. Jahrhundert zählt die Halskrause zum standesgemäßen Outfit der wohlhabenden Niederländer. Das Land ist zur global agierenden Handelsmacht aufgestiegen und verdankt einen großen Teil seines Reichtums dem Sklavenhandel. Der voluminöse Kragen aus weißem gestärktem Leinen ist ein Must-have der Oberschicht. Drei Jahrhunderte später vertauscht die 1954 geborene US-Künstlerin Maxine Helfman die Rollen. Auf ihrem Foto schmückt sich nicht ein weißer Kaufmann mit diesem Modeaccessoire, sondern eine Person of Color, die selbstbewusst in die Kamera blickt.

Blinder Fleck der Kunstgeschichte

In der Heidelberger Ausstellung „Die Erfindung des Fremden in der Kunst“ hängt diese Aufnahme neben einem Gemälde des Barockmalers Gerrit Dou. Dessen Typenporträt zeigt einen schwarzen Mann mit Turban. „Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass die Frage, wie Schwarze Menschen in der Kunst dargestellt werden, oftmals ein blinder Fleck in der Kunstgeschichte ist“, sagt Julia Carrasco, die die Gemälde- und Grafiksammlung des Kurpfälzischen Museums leitet und die Ausstellung kuratiert hat.
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    Geschichtliche Korrektur — In ihrer Serie „Historical Correction“ porträtiert die US-Künstlerin Maxine Helfman People of Color in traditioneller bürgerlicher Kleidung aus dem 17. Jahrhundert. Darüber hinaus …
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    … zeigt die Ausstellung auch historische Beispiele wie Ernst Ludwig Kirchener, der sich wie Gauguin oder Matisse von exotischen Welten inspirieren ließ, bis hin zu …
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    … Werken aus dem Barock wie Georg Hinz' (1630–1688) „Kleinodienschrank“, der Vanitas-Motive mit fremdartigen Fund-
    stücken kombiniert, oder …
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    … ein Porträt des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden, auf dem er nur rund 20 Jahre nach dem Sieg über das osmanische Heer in Wien im Jahr 1683 in türkischer Tracht posiert.
Mehr als 80 Exponate — darunter Gemälde, Grafiken, Skulpturen, Fotografien und kunst-handwerkliche Objekte — hat sie in dieser Schau versammelt. Unter dem Blickwinkel des vermeintlich Fremden und Exotischen bietet die Ausstellung einen aufschlussreichen Streifzug durch fünf Jahrhunderte Kunstgeschichte. Sie gliedert sich in vier Themenblöcke. Den Anfang bilden die Eindrücke der ersten Amerikafahrer im 16. Jahrhundert. „Der Aufbruch in die sogenannte Neue Welt fiel mit der Erfindung des Buchdrucks zusammen. Daher wurden Bilder in großem Stil verbreitet und das Bild Amerikas einem breiten Publikum vermittelt“, erläutert Carrasco. Besonders stolz ist die Kuratorin auf ein Flugblatt von 1505, von dem es weltweit nur noch zwei Exemplare gibt. Es zeigt Bewohner*innen der brasilianischen Küste, denen der Seefahrer Amerigo Vespucci auf seiner berühmten Amerika-Reise begegnete.

Die Darstellungen des Orients in verschiedenen Epochen und die Moderne bilden weitere Schwerpunkte. Die Mitglieder der deutschen Künstlergruppe „Die Brücke“ ließen sich von außereuropäischen Skulpturen und Masken inspirieren, was heute teilweise als Aneignung kritisiert wird.

Der vierte Themenblock widmet sich dem sogenannten „weißen Blick“. „Wir zeigen, wie das Bild von vermeintlichem Anderssein über die Darstellung der Körperfarbe inszeniert wurde“, erläutert Kuratorin Carrasco das Konzept. Vieles in den Darstellungen des Fremden war frei erfunden und spiegelt eine subjektive Perspektive wider. „Die Bilder basieren im Wesentlichen auf der europäischen Idee des Fremden“, betont Carrasco. Mit Abgrenzung, so die Kuratorin, definiere man gleichzeitig, wer man selbst sein wolle. In Zeiten von Globalisierung und Migration ein hochaktuelles Thema.
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    In der Nähe so fern: Auch die von Kurfürst Carl Theodor errichtete Moschee im Schwetzinger Schlossgarten, hier in einer Aquatinta von Carl Kuntz aus dem Jahr 1795, ist in der Ausstellung zu sehen.
Neben Werken, die Carrasco in der hauseigenen Sammlung entdeckt hat, präsentiert die Schau auch Berühmtheiten wie zum Beispiel Albrecht Dürers „Rhinozeros“. Der Künstler zeichnete bekanntlich ein Fantasie-Nashorn, ein lebendes Exemplar hat er nie gesehen. Darüber hinaus werden Stillleben von Ernst Ludwig Kirchner und Max Pechstein gezeigt, die von afrikanisch-ozeanischen Skulpturen inspiriert sind. Von Pechstein wird zudem ein Gemälde seines Aufenthalts auf den Palau-Inseln ausgestellt. Zu den zeitgenössischen Positionen gehört die Installation von Gülsün Karamustafa, die den türkischen Pavillon auf der aktuellen Biennale in Venedig gestaltet hat. Mit Fragmenten von Gemälden orientalistischer Maler wie Jean-Auguste-Dominique Ingres oder Eugène Delacroix entlarvt die Künstlerin Stereotype orientalischer Weiblichkeit.

Bezüge zur Gegenwart

Auch in Heidelberg und der Kurpfalz war das Fremde ein Thema, etwa in der Orient-Mode am Hof Carl Theodors, die noch heute in der Pseudo-Moschee im Schwetzinger Schlosspark zu bewundern ist. In der Sammlung des Kurpfälzischen Museums finden sich ebenfalls Bezüge und Werke, die hier zum Teil erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden. Darüber hinaus sucht Carrasco immer wieder nach Bezügen zur Gegenwart, um die Kunst von gestern mit einem kritischen Blick von heute zu konfrontieren. Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters der Stadt Heidelberg Eckart Würzner. ‹


Die Erfindung des Fremden in der Kunst
19. Oktober 2024 bis 12. Januar 2025
Kurpfälzisches Museum Heidelberg
www.museum-heidelberg.de
Bildnachweis:
Eugen Bracht, „Rast in der ­Wüste“, 1882, Foto: U. Rudischer

Kurpfälzisches Museum

Kunst und Kultur in der Heidelberger Altstadt bietet das Kurpfälzische Museum. Mit seinen vielfältigen Beständen und deren Schwerpunkten Archäologie, Gemälde und Grafiik, Kunsthandwerk und Stadtgeschichte lädt es zu einer faszinierenden Entdeckungsreise ein, von den ersten Siedlungsspuren im Rhein-Neckar-Raum bis zu Werken der Klassischen Moderne von Beckmann, Slevogt und Corinth. Die kostbaren Bestände des Kunsthandwerks — Silber, Porzellan und Möbel — können im historischen Palais Morass bewundert werden, der „Windsheimer Zwölfbotenaltar“ von Tilman Riemenschneider in einer Sonderpräsentation.
AdresseKurpfälzisches Museum // Hauptstraße 97 // 69117 Heidelberg // Telefon: 06221 58–34020 // E-Mail: kurpfaelzischesmuseum@heidelberg.de
ÖffnungszeitenDienstag bis Sonntag 10–18 Uhr
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