› Mein erstes Filmfestival damals, 1992, hatte ich unter das Motto „Liebesgeschichten“ gestellt. Was Nettes sozusagen. Aber den Gemeinderat von Mannheim hat das nicht beeindruckt. Er musste sparen und fand das 42. Festival 1993 könne gut auch das letzte sein. Ich sorgte für Protestbriefe aus ganz Deutschland, aus der Führung der Bundes-SPD zum Beispiel. Aber erst der Vorschlag, mit der „Filmwoche“ auch das Kurpfälzische Kammerorchester einzusparen, hat es wirklich gebracht: „Nein, nicht unser Orchester!“ Das war aufschlussreich. Ich erhielt eine Gnadenfrist und sollte in wenigen Wochen Sponsoren beschaffen. Heute würde ich sagen: Man war sich sicher, das schafft der nicht. Aber mir kam die Lösung im Schlaf: Ich frage Heidelberg, ob sie das Filmfestival haben wollen. Sie wollten und das war den Mannheimern dann doch nicht recht. „Machen wir es doch gemeinsam“, sagte ich. Das Festival war gerettet und hatte jetzt doppelt so viel Geld wie zuvor.Ein Filmfestival in zwei Städten1994 gibt es also zum ersten Mal (übrigens weltweit) ein Filmfestival in zwei Städten gleichzeitig. (Ich wundere mich ja noch heute, dass das alle normal finden.) 1995 sind wir zum ersten Mal in Mannheim im „Stadthaus N1“ — und ziemlich unter uns, kein Mannheimer will da zunächst hin. Zugleich beginne ich damit, dem neuen IFMH einen Platz in den Filmmärkten zu erobern. Wir gründen 1995 die „Mannheim Meetings“, die neben dem „Cinemaart“ von Rotterdam zum größten europäischen Koproduktionsmarkt für Filmvorhaben werden.
1996 beehrt Ministerpräsident Erwin Teufel das Festival und die Stuttgarter Zeitung schreibt, dass das vor drei Jahren existenziell gefährdete Festival so siegreich wiederauferstanden sei, das liege an diesem „äußerst rührigen, äußerst geschickt agierenden Festivalleiter“. Ich bin stolz. So schön bin ich danach nie wieder gelobt worden. Das Publikum beginnt uns zu lieben, wächst jedes Jahr, und schätzt unser Programm sehr. Ich fühle mich bestätigt im heimlichen Kriterium unserer Auswahl: (fast) nie Filme zeigen, die angeblich ganz wichtig sind, mir aber selber keinen Spaß machen beim Anschauen.Das Festival wird 50#1997 steht im Branchenblatt „Moving Pictures“: „Mannheim has stepped up its market activities to re-emerge as a forum for the industry”, und auch andere finden, wir hätten uns „als Forum für die Indie-Branche profiliert“. Wir sind wieder sehr stolz. Dann das Jahr 2000, ein neues Jahrhundert und Jahrtausend beginnt und wir ehren den großen, viel zu früh verstorbenen Regisseur Daniel Schmid mit einer Hommage. Ein Jahr später, 2001, werden das Festival und ich 50, ein Buch erscheint, „Zeitgeist mit Eigensinn“ — und ein gleichnamiger Film. Das Festival hat jetzt etwas mehr als eine Million Euro zur Verfügung, was sich im Vergleich zu vielen anderen aber immer noch bescheiden ausnimmt. Wir werden mit dem Geld auskommen müssen, sagen wir uns — und das gilt bis heute.2002 reisen aus ganz Deutschland Chinesen an, um ihr Idol zu sehen: Zhang Yimou ist unser „Master of Cinema“. Ich frage ihn, warum er gekommen sei, und er sagt, das Filmfestival habe so einen guten Ruf in China. 2003 wird das Kinogenie Raoul Ruiz unser Ehrengast, wir machen eine Lesung von Truffauts „Die Amerikanische Nacht“ mit deutschen Schauspielstars und die Bühne im Stadthaus funkelt. 2004 kommen Wim Wenders und Edgar Reitz, 2005 machen wir eine weitere Lesung, diesmal zu Ehren von Rainer Werner Fassbinder (der seine ersten Filme in Mannheim gezeigt hat) und der Komponist Peer Raben beehrt uns. Udo Kier kommt, stellt sich auf die Bühne und sagt, ein Fassbinder-Abend ohne ihn, das ginge nicht. Super-8-Aufnahmen von Atom Egoyan2006 ist der russische Meisterregisseur Alexandre Sokurov unser „Master of Cinema“. 2007 wird das Stadthaus umgebaut und wir bauen Zelte auf die Rheinterrassen von Mannheim. Aber das ist den Mannheimern zu weit draußen, sie kommen nur spärlich. 2009 ist Atom Egoyan zu Gast und hat Super-8-Aufnahmen dabei, von seinem ersten Besuch in Mannheim zwanzig Jahre zuvor, als er als Newcomer hier war. Beim 60. Jubiläum des IFMH im Jahr 2011 gibt es Freikarten, noch ein Buch und noch einen Film über das Festival. Die Zuschauer feiern uns, der Etat bleibt, wie er ist, obwohl ich beharrlich davor warne, das IFMH könne seine mühsam erarbeitete Position wieder verlieren. Aber noch erfreuen wir uns an der Reputation des Festivals in der Branche weltweit und laden Ehrengäste auch ohne Preisgelder ein. 2015 machen wir den Versuch, die neue Welt der Serien — und die damit verbundene, so ganz andere Wirtschaftswelt dahinter — in das Festival zu integrieren. Und wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, wissen möchten, was ich jetzt alles nicht erzählt habe, dann werbe ich für mein Buch über diese 28 Jahre, die hier nur skizziert sind, das es beim 68. Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg geben wird — „Ein Festival mit Geschichte“. ‹Dr. Michael Kötz
Internationales Filmfestival Mannheim-Heidelberg
Das Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg genießt als Forum für junge Talente einen internationalen Ruf. Regisseure wie François Truffaut, Wim Wenders, Rainer Werner Fassbinder, Krzysztof Kieslowski, Jim Jarmusch, Lars von Trier oder später Thomas Vinterberg, Frédéric Fonteyne, Guillaume Nicloux, Derek Cianfrance, Hong Sang-soo starteten in Mannheim- Heidelberg ihre Weltkarrieren. Neben rund 60.000 Besuchern kommen jedes Jahr etwa 1.000 internationale Gäste aus der Filmbranche. Dazu gehören Journalisten, Sales Agents, Verleiher und Produzenten.
TerminDO 14. bis SO 24. November 2019
AdresseIFFMH – Filmfestival Mannheim gGmbH // Kleiststraße 3–5 // 68167 Mannheim // Telefon: +49 621 - 489262-11 // E-Mail: info@iffmh.de
Spielortealle Kinos in Mannheim und Heidelberg, Festival-Lounges im Stadthaus Mannheim und im Karlstorbahnhof Heidelberg
Infoswww.iffmh.de