Kurpfälzisches Museum

Auf der Suche nach dem Schönen

› Gefrorene Stille, gedämpfte Winterfarben und tanzende Schneeflocken — so porträtiert Joachim Lutz die Place de la Concorde im Winter 1941. Es scheint ein seltsamer Widerspruch zu sein, denn wenige Monate zuvor hat Hitlers Armee Paris besetzt. Doch der Künstler lässt keine Wehrmachtsoldaten um den berühmten Obelisken aus Luxor aufmarschieren. Weder Menschen noch gepanzerte Fahrzeuge sind auf dem größten Platz in der französischen Hauptstadt zu sehen. Er wirkt auf rätselhafte Weise entrückt.

Landschaften, Städte und Menschen

Typisch für Joachim Lutz. „Er hat das Schöne gesucht, das überdauert, und nicht den Schrecken des Krieges“, betont Dr. Anja-Maria Roth, die Leiterin der Grafik-Abteilung im Kurpfälzischen Museum. Anders als Picasso oder Otto Dix berichten seine Arbeiten nicht von Gräueln, zeigen weder versehrte Körper noch nackte Gewalt. Erlebt hat Lutz, der 1906 in Höchst am Main geboren wurde, dies sehr wohl. Während des Zweiten Weltkriegs war er Soldat und Berichterstatter für Zeitungen in Russland, Frankreich und Italien. Unterwegs zeichnete er Landschaften, Städte und Menschen minutiös und blendete dabei das Frontgeschehen aus. Seine Liebe zum Detail macht die Arbeit „Nina“ deutlich, die 1943 in Smolensk entstand. In sanften Schraffierungen arbeitet Lutz das feine Kindergesicht heraus, während der Torso lediglich in Umrissen erkennbar ist. Mit dieser Art, das Wichtige zu betonen und den Rest nur flüchtig zu skizzieren, stellt sich der Zeichner und Grafiker in die Tradition der Romantiker.

Wanderer zwischen den Stilen

Rückgriffe auf die Romantik, aber auch Anleihen bei Expressionisten, Kubisten und Futuristen sind bei Lutz immer wieder zu entdecken. Auf eine bestimmte Stilrichtung hat er sich in seinem kurzen Leben allerdings nicht festgelegt. „Das mag daran liegen, dass er nur 48 Jahre alt wurde. Vielleicht hätte er sich später auf eine Richtung konzentriert“, vermutet Roth. In der Heidelberger Ausstellung präsentiert die Kuratorin jetzt sein Werk im Dialog mit der Sammlung des Hauses. Lutz’ Porträts etwa hängen neben denen des Romantikers Ernst Fries und seine Neckaransichten lassen sich mit denen des Expressionisten Erich Heckel vergleichen.

Bei ihrer Vorbereitung konnte Ausstellungsmacherin Roth auf ein riesiges Konvolut zurückgreifen. Denn kurz vor seinem Tod schenkte Lutz dem Kurpfälzischen Museum fast sein gesamtes Œuvre. Es setzt sich vor allem aus Bleistiftzeichnungen, Aquarellen, Holzschnitten und Lithografien zusammen. In der Schau wird es nicht chronologisch, sondern in Motivgruppen präsentiert: Porträts, figürliche Darstellungen, Landschaften, Stadtansichten, die Küste, Ansichten von Heidelberg sowie Blüten und Pflanzen.
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    Feiner Strich: Joachim Lutz widmete sich in seinen Zeichnungen und Gemälden ganz unterschiedlichen Motiven. Blüten und Pflanzen gehörten ebenso dazu wie …
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    … Porträts, wie das einer Russin, das 1943 in Smolensk entstand, oder …
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    ein Selbstporträt, das um 1950 und damit wenige Jahre vor seinem frühen Tod entstand.
Wenig ist über den Menschen Joachim Lutz bekannt, der keine direkten Nachkommen hat. Er muss jedoch ein ausgesprochener Pflanzenfreund gewesen sein. Ein Selbstbildnis zeigt ihn, wie er nach Art der Impressionisten in freier Natur an der Staffelei tüftelt. Seine Darstellungen von Sonnenblumen kontrastiert die Ausstellung mit denen des Expressionisten Christian Rohlfs und einer detailgenauen Arbeit aus dem Skizzenbuch des taubstummen Heidelberger Zeichners und Aquarellisten Peter Friedrich de Walpergen.

Expedition nach Afrika

Kunsthistorikerin Roth hält Lutz für einen typischen Vertreter seiner Generation. „Der Ausbruch des Krieges war eine Zäsur. Danach musste er sich in kleinen Schritten wieder etwas aufbauen, seinen Lebensunterhalt verdienen und seinen Weg als Künstler finden.“ Wie viel künstlerisches Potenzial in ihm schlummerte, lassen auch die Werke erahnen, die er nach der großen Afrika-Expedition mit dem bedeutenden Ethnologen und Afrikaforscher Leo Frobenius in den Jahren 1929 und 1930 schuf. Damals begann er, mit Farbe zu experimentieren.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs ließ sich Joachim Lutz wieder im Heidelberger Stadtteil Ziegelhausen nieder. Ein Nachbar war der Künstler Will Sohl, mit dem und dessen Familie er einen engen Kontakt pflegte. Gemeinsam gründeten die Künstlerfreunde die Freie Gruppe, eine Vereinigung, mit der das kulturelle Leben der Stadt wiedererweckt werden sollte. Am 17. Februar 1954 starb Lutz an den Folgen einer Krebserkrankung. Er wurde auf dem Ziegelhäuser Friedhof beigesetzt. Heute erinnert dort eine Gedenktafel an den Zeichner der Stille. ‹


Joachim Lutz — Zeichner der Stille
15. Oktober 2017 bis 28. Januar 2018
Kurpfälzisches Museum, Heidelberg
Dienstag bis Sonntag 10–18 Uhr
www.museum-heidelberg.de

Kurpfälzisches Museum

Kunst und Kultur in der Heidelberger Altstadt bietet das Kurpfälzische Museum. Mit seinen vielfältigen Beständen und deren Schwerpunkten Archäologie, Gemälde und Grafiik, Kunsthandwerk und Stadtgeschichte lädt es zu einer faszinierenden Entdeckungsreise ein, von den ersten Siedlungsspuren im Rhein-Neckar-Raum bis zu Werken der Klassischen Moderne von Beckmann, Slevogt und Corinth. Die kostbaren Bestände des Kunsthandwerks — Silber, Porzellan und Möbel — können im historischen Palais Morass bewundert werden, der „Windsheimer Zwölfbotenaltar“ von Tilman Riemenschneider in einer Sonderpräsentation.
AdresseKurpfälzisches Museum // Hauptstraße 97 // 69117 Heidelberg // Telefon: 06221 58–34020 // E-Mail: kurpfaelzischesmuseum@heidelberg.de
ÖffnungszeitenDienstag bis Sonntag 10–18 Uhr
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