Festspiele Ludwigshafen

Psychodramen und Wasserschlachten

› Welche neuen Tanz-Trends entstehen gerade in den Proberäumen? Was zeigen die Off-Bühnen und die großen Kompagnien? Die Festspiele Ludwigshafen geben mit ihren Gastspielen wegweisender Choreografien eine Antwort darauf. Das Programm ist wie eine Reise durch ganz unterschiedliche Stile. Internationale Exzellenz, Farbigkeit sowie ästhetische und inhaltliche Offenheit sind für den Intendanten des Theaters im Pfalzbau und Festivalleiter Tilman Gersch die Kriterien, die bei seiner Auswahl die Hauptrolle gespielt haben. Das Spektrum reicht von einem Projekt des Hip-Hop-Pioniers Mourad Merzouki bis zum psychologischen Handlungsdrama der Britin Cathy Marston.

Gegen den Wind

Den Auftakt macht Sidi Larbi Cherkaoui mit seinem neuen Tanzstück „Ukiyo-e“. Auch der flämisch-marokkanische Starchoreograf wandelt gerne zwischen Kulturen, Religionen und Kunststilen und hat schon für Beyoncé oder den Cirque du Soleil gearbeitet. „Ukiyo-e“ führt ins Japan des 17. Jahrhunderts, in die Edo-Zeit, die das Hier und Jetzt feierte. Auch der Altmeister des französischen Hip-Hop, Mourad Merzouki, liebt es, Grenzen zu überschreiten. Sein Ensemble tanzt schon mal zu Barockmusik wie bei „Folia“, das im vergangenen Jahr in Ludwigshafen zu sehen war. Jetzt zeigt er mit seiner Compagnie Käfig das Stück „Zéphyr“, benannt nach dem Gott der milden Westwinde. Die Besucher*innen können beobachten, wie Körper aus den Bullaugen eines rostigen Frachtraums steigen und sich zur sogartigen Musik von Armand Amar bewegen. Stilistisch ist dieser fulminante Tanz gegen den Wind eine Mischung aus zeitgenössischem und Hip-Hop-Tanz.
  • festspiele ludwigshafen pfalzbau cathy marston cellist
    Hochkarätige Gastspiele: Während Cathy Marston in „The Cellist“ (Foto: Gregory Batardon) die Lebensgeschichte der Musikerin Jacqueline du Pré als vielschichtiges Handlungsballett erzählt, …
  • festspiele ludwigshafen pfalzbau Guy Nader Maria Campos Made of Space
    … präsentiert das libanesisch-spanische Choreograf*innen-Gespann Guy Nader und Maria Campos mit „Made of Space“ (Foto: Alfred Mauve) den dritten Teil ihrer Zeit-und-Raum-Trilogie …
  • festspiele ludwigshafen pfalzbau Sidi Larbi Cherkaoui Ukiyo-e
    … der flämisch-marokkanische Starchoreograf Sidi Larbi Cherkaoui sein neues Tanz­stück „Ukiyo-e“ (Foto: Gregory Batardon), das ins Japan des 17. Jahrhunderts führt.
Die Wienerin Florentina Holzinger wurde mit ihrer spektakulären feministischen Performance „Ophelia’s Got Talent“ beim Berliner Theatertreffen gefeiert. In ihrer rebellischen Show, die weibliche Nacktheit zelebriert, verwertet sie alles, was der Show-Tanz bietet — von Tabledance über Musical bis hin zu Varieté. Ihre gigantische Pool-Landschaft erinnert an die Wasserballettfilme von Esther Williams aus den 1940er-Jahren. Um ein Becken sind Kameras aufgebaut, die über und unter Wasser filmen.

Vom Handlungsdrama bis zum rebellischen Wasserspektakel

Von Ophelia zu einer anderen Shakespeare-Figur: Othello. Der italienische Choreograf Luciano Padovani nähert sich dem von Eifersucht in den Wahnsinn getriebenen Feldherrn mit einem Mix aus Tango und zeitgenössischem Tanz. Dokumentarisch ist indes Cathy Marstons Handlungsballett „The Cellist“. In weichen und fließenden Bewegungen schildert sie das Schicksal von Jacqueline du Pré. Die Cellistin und ihr Mann Daniel Barenboim avancierten in den 1960er-Jahren zu den Lieblingen der Klassikwelt. Doch mit 30 Jahren erkrankte die Ausnahmemusikerin an Multipler Sklerose und musste ihre Karriere früh beenden. 1987 starb sie. Marston, die Ballettdirektorin in Zürich ist, lässt klassische Elemente mit zeitgenössischen Formen verschmelzen. „Bei den Festspielen wollen wir auch immer einen weiten Bogen spannen: Cathy Marstons bewegendes Handlungsdrama steht schier unvereinbar neben dem rebellischen Wasserspektakel von Florentina Holzinger“, freut sich Intendant Gersch über seinen programmatischen Coup.

Deutschlandpremiere und eine Meditation über die Klimakrise

Mit gleich zwei Projekten reist Wayne McGregor, Hauschoreograf des Royal Ballet London, nach Ludwigshafen. Der 1970 geborene Choreograf tüftelt gerne und versteht seinen Probenraum als ästhetisches Forschungslabor. Infiziert von den Tanzfilmen „Grease“ und „Saturday Night Fever“, studierte er Choreografie und später sogar Semiotik. „Sein ‚Deepstaria‘ ist eine Deutschlandpremiere“, freut sich Gersch auf das Gastspiel in Ludwigshafen. Die Produktion basiert auf den neuesten Erkenntnissen zu KI, Akustikforschung und räumlicher Datenverarbeitung. Als zweites Stück ist „Universe: A Dark Crystal Odyssey“ zu sehen — eine Meditation über die Klimakrise.

Geht nicht gibt’s nicht — so lautet das Motto der Festspiele. Dabei wird sogar eine Fusion von traditionellen Volkstänzen und zeitgenössischen urbanen Tanzformen präsentiert. Dieses Experiment wagt der portugiesische Choreograf Marco da Silva Ferreira mit seiner Produktion „Caraça“. Sein Karriereweg ist ungewöhnlich: Über die Popkultur und Clubbing kam er als Autodidakt zum Tanz und wurde vom renommierten israelischen Choreografen Hofesh Shechter entdeckt.

„Ein wunderbar leichter Tanz aus Spanien“, schwärmt Gersch vom Gastspiel „Made of Space“. Produziert hat es das libanesisch-spanische Choreograf*innen-Duo Guy Nader und Maria Campos. Mit turnerischen bis akrobatischen Elementen treiben die beiden das Spiel mit der Schwerkraft auf die Spitze. Eines ist sicher: Während des zweimonatigen Festivals kommen sowohl Fans des klassischen Tanzes als auch solche der urbanen Stile
auf ihre Kosten. ‹

Festspiele Ludwigshafen
12. Oktober bis 14. Dezember 2024
Theater im Pfalzbau Ludwigshafen
www.theater-im-pfalzbau.de
Bildnachweis:
„Zéphyr“, Foto: Laurent_Philippe

Festspiele Ludwigshafen

Die Festspiele Ludwigshafen sind eine feste Größe im Programm des Theaters im Pfalzbau. Jedes Jahr im Herbst präsentieren sie Schauspiel- und Tanzaufführungen auf höchstem Niveau. Neben einem hochkarätigen Tanzprogramm, das von einem externen Kurator oder einer Kuratorin ausgewählt wird, steht bei den Festspielen auch alljährlich eine renommierte deutschsprachige Bühne im Fokus, die sich mit mehreren Gastspielen in Ludwigshafen präsentiert. So waren in den vergangenen Jahren unter anderem das Wiener Burgtheater, die Münchener Kammerspiele oder das Deutsche Schauspielhaus Hamburg mit ihren Inszenierungen zu Gast.
TerminSA 12. Oktober bis SA 14. Dezember 2024
AdressePfalzbau Bühnen // Berliner Straße 30 // 67059 Ludwigshafen // Kartentelefon: 0621 5042558 // E-Mail: pfalzbau.theaterkasse@ludwigshafen.de
SpielortePfalzbau Bühnen
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