Reiss-Engelhorn-Museen

Zerbrechliche Krieger

› Der Genuss einer guten Tasse Kaffee oder Tee ist ein zeitloser Klassiker — und sicher so beliebt wie schon zu Zeiten, als Carl Theodor noch die Kurpfalz regierte. Was das dazu benutzte Geschirr angeht, hat sich der Geschmack zwar geändert, aber zweifellos fasziniert das edle dünnwandige Porzellan, das Mitte des 18. Jahrhunderts an den Fürstenhöfen groß in Mode kam, auch heute noch. Die Motive auf dem aktuell in den Reiss-Engelhorn-Museen ausgestellten Service sind bei genauerem Hinsehen allerdings irritierend: „Die Vorstellung, im Anblick von Schlachten-, Kriegs- oder Feldlagerszenen gemütlich Kaffee, Tee oder Schokolade zu genießen, auch wenn sie kunstvoll von Hand gemalt sind, mutet heute befremdlich an“, findet auch Irmgard Siede, Kuratorin der Sonderausstellung „Von Pulverdampf und Schlachtidyll“.

Bataillen, Blumen oder Seestücke

Aus zeithistorischer Sicht liefert das Ensemble aus der Zeit um 1766, signiert vom Porzellanmaler Christian Heinrich Winterstein, spannende Einblicke in die Bedeutung von Krieg und Militär im 18. Jahrhundert. „Reale Kämpfe waren zu dieser Zeit allgegenwärtig. Die Darstellung von Schlachten, im damaligen Jargon Bataillen, wurde — vergleichbar dem Seestück oder Blumenstück — ein eigenes Bildthema“, erklärt Siede. Man könne aber auch, so die Kuratorin, vermuten, dass die Motivwahl auf die Vorlieben der Auftraggeber und Käufer solcher Geschirre Rücksicht nahm. Diese waren zu dieser Zeit häufig Adlige, und viele von ihnen hatten eine militärische Laufbahn eingeschlagen.

Die Ausstellung entführt ins 18. Jahrhundert, als Porzellan so kostbar war, dass es auch „weißes Gold“ genannt wurde. Von China aus trat es seinen Siegeszug nach Europa an und durfte bald an keinem Fürstenhof mehr fehlen. Die Reiss-Engelhorn-Museen beherbergen mit der weltweit größten Sammlung an Frankenthaler Porzellan einen besonderen Schatz. Im Mittelpunkt der neuen Präsentation erstrahlt mit dem Bataillen-Service ein Glanzstück der Sammlung.

Weißes Gold aus Frankenthal

„Es ist ein Glücksfall, dass das Service noch vollständig vorhanden ist“, verrät Siede. „Häufig wurden durch den Antiquitätenhandel solche großen Service zerteilt, um schöne Einzelstücke zu verkaufen.“ Dazu sind die 43 Teile noch exzellent erhalten: „Es wirkt wie unbenutzt, so als ob es fabrikneu nach gut 250 Jahren aus Butter herausgeschmolzen wurde“, betont Siede. Denn Porzellan schützte man seinerzeit nicht selten auf diese Weise beim Transport. Am Beispiel des Bataillen-Services wird das zerbrechliche Material nicht nur als edles Schaustück, sondern als Spiegel seiner Zeit behandelt. Gemälde, Grafiken und Waffen stellen das Service in seinen historischen Kontext, verweisen auf Vorlagen und erklären die Motive. Trotz ihres martialischen Charakters muten diese nahezu idyllisch an und bestechen durch ihre Zartheit und Kunstfertigkeit. ‹


Von Pulverdampf und Schlachtidyll
11. Februar bis 02. Dezember 2018
Reiss-Engelhorn-Museen, Museum Zeughaus C5
www.rem-mannheim.de




Fotonachweise
Aufmacher: Kaffeekanne mit Reiterschlacht, signiert von Christian Heinrich Winterstein, Frankenthal 1765/66

Reiss-Engelhorn-Museen

Die Reiss-Engelhorn-Museen sind ein international agierender Museumsverbund mit vier Ausstellungshäusern im Herzen Mannheims. Ihr breites Sammlungsspektrum und ihre Sonderausstellungen vermitteln kulturgeschichtliche Vergangenheit und Gegenwart. Außerdem werden drei Forschungseinrichtungen betrieben. Mit all diesen Aktivitäten haben sich die Reiss-Engelhorn-Museen weit über die Region hinaus einen Namen gemacht.
AdresseReiss-Engelhorn-Museen // Museum Weltkulturen D5 // 68159 Mannheim // Telefon: 0621 2933150 // E-Mail: reiss-engelhorn-museen@​mannheim.de
ÖffnungszeitenDienstag bis Sonntag (auch an Feiertagen) 11–18 Uhr
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